Wellness-Beiträge



Nicht jeder Gast zahlt Logenplätze

Interview mit Lutz Hertel zum Anlass der Konferenz Wellness Innovation 2012
Quelle: AHGZ-Druckausgabe Nr. 2012/41 vom 6. Oktober 2012



Bei der diesjährigen Wellness Innovation verleiht der Verband zum ersten Mal die Wellness Innovation Awards an innovative Unternehmen. Wie beurteilen Sie die eingereichten Konzepte?

Hertel: Interessant, vielfältig, nicht immer überraschend. Man sieht, dass sich die Ideen weiterentwickeln und verbessert werden. Und das Thema Gesundheit findet dabei mehr Beachtung. Das ist für uns als Verband ein sehr schönes Signal.

Können Sie das konkret an einem Beispiel festmachen?

Hertel: Wir haben Vorschläge bekommen, wie man das Gesundsein-Können, die Gesundheitskompetenz, in Form von Trainings in den Wellness- und Spa (Leseprobe und weitere Informationen zum Buch "Spa")-Markt bringen kann. Mir fällt ein Beispiel ein, bei dem man im Kontext eines Behandlungsrituals den Gast darin unterrichtet, wie er bestimmte Übungen und Methoden aus dem Bereich Mind&Body zu Hause machen kann. Das betrachte ich als innovativ, denn bislang ist es ja so, dass sich Behandlungen im Spa- oder Wellness-Bereich auf das beschränken, was vor Ort ist. Wir predigen seit Jahren, den Gästen nachhaltige Dienstleistungen zugute kommen zu lassen. Das heißt, Wirkungen zu ermöglichen, die über den Aufenthalt im Spa- oder Wellnesshotel hinausgehen.

Das heißt, der Trend geht in Richtung Coaching zur Selbst-Fürsorge, ähnlich wie autogenes Training?

Hertel: Zum Beispiel, ja. Das können Übungen aus dem Yoga sein, das können energetische Übungen sein, das kann die Atmung sein. Die Methoden sind ja alle bekannt. Die Innovation besteht darin, dass man im Spa- und Wellnessbereich diese Methoden auch nutzt. Dass man erkennt, dass Wellness und Spa mehr sind als momentanes Wohlfühlen und sich verwöhnen lassen. Die Ideen des Coachings und der After-Sales-Services sind in der Spa- und Wellness-Branche noch kaum wahrgenommen worden. Und da ist auch großes Marktpotenzial sichtbar. Darüber möchten wir auch auf unserer Konferenz aufklären.

Geht der Wellness-Hotellerie nicht Geschäft flöten, wenn sich die Gäste zu Hause quasi selbst behandeln können?

Hertel: Es kommt darauf an, wie gut ihre Dienstleistung ist. Das ist heute leider völlig in den Hintergrund gerückt. Die ganze Branche gibt Unsummen an Investment für Einrichtung und Ausstattung aus, und man vergisst darüber völlig die Bedeutung, die diese Branche im Kern hat. Das ist eine Dienstleistungsbranche. Die Beziehung zwischen Mensch und Mensch steht daher im Mittelpunkt. Dienstleister im Spa-Bereich können sich weiterhin als Coach und Tankstelle verstehen. Denn das Gefühl der Verbundenheit und Zugehörigkeit können diese ganzen Methoden nicht ersetzen.

Zeichnen sich anhand der eingereichten Ideen allgemeingültige Trends ab?

Hertel: Man versucht, die Behandlungsrituale im Spa noch komplexer, sinnlicher und multimodaler zu machen. Es wird an jeder nur denkbaren Stelle verbessert. Und das gleiche gilt natürlich auch für Technologien und Produkte im Hardware-Bereich. Mir fällt da jemand ein, der ein neues System für Duschen im Wellness-Bereich entwickelt hat. Da wurde eine tropische Regenwolke entwickelt, die regenartig aus einem riesigen Ballon von oben fließt. Das Wasser befindet sich in einem großen Kreislauf, und der Ballon leuchtet in verschiedenen Farben. Das ist eine Attraktion für den Badegast, energetisch und ökologisch sehr durchdacht und dazu funktional.

Welche weiteren Trends im Spa-Bereich beobachten Sie?

Hertel: Was uns im Moment gesellschaftlich alle sehr beschäftigt, ist das Thema Energie. Auch auf der menschlichen Ebene suchen wir nach neuen Energieträgern. Das Leben ist heutzutage energetisch sehr aufwändig für uns Menschen, viele sind erschöpft und dauergestresst. Es gibt erste Konzepte, wie man mit energetischen Behandlungen oder energetisch gestalteten Räumen Lebensenergie positiv beeinflussen kann. Auch da liegen Chancen für Innovationen, das Marktpotenzial ist riesig.

Wo sehen Sie Nachholbedarf in der Entwicklung?

Hertel: Alle Trends, die mit grünem Denken und Handeln zu tun haben, sind noch nicht richtig angekommen in der Branche. Wir haben das als Verband schon vor Jahren erkannt und eine Initiative gestartet: Green Spa und Green Resort. Das Thema Nachhaltigkeit erschöpft sich nicht in ökologischem Denken. Es geht auch darum, dass sie soziale Fairness praktizieren und einen entsprechenden Umgang mit ihren Mitarbeitern haben.

Spezialisierte Wellness-Anwendungen und ganzheitliche Konzepte sind bei großen Wellnesshotels in. Inwiefern sollte der Hotelier eines kleineren 3-Sterne-Hotels auf diesen Zug aufspringen oder hier Investitionen tätigen?

Hertel: Für Hotelbetriebe mit kleinem Spa- oder Wellness-Bereich gilt: Man muss nicht immer in der höchsten Kategorie spielen, um eine Existenzberechtigung zu haben. Und auch nicht jeder Gast zahlt Logen-Plätze. Der Kern der Leistung ist nicht die opulente Hardware-Ausstattung, sonder die Dienstleistung. Und eine hervorragende Dienstleistung kann man auch in einem kleinen Raum mit begrenzten Möglichkeiten der Einrichtung bieten. Die klassische Gesichtsbehandlung und die Rückenmassage werden am meisten verkauft. Somit ist die Erwartungshaltung des Gastes mit den Basis-Leistungen abgedeckt. Es kommt auf solides Handwerk an.

Welche Rahmenbedingungen muss man schaffen, damit eine Fachkraft von morgens bis abends freundlich zu den Gästen ist?

Hertel: Die erste Rahmenbedingung ist die Fachkraft selbst. Sie muss ihr Handwerk beherrschen. Es ist wichtig, Menschen zu finden, die es aus dem Effeff beherrschen. Und dazu muss man Geld in die Hand nehmen. Bei Mitarbeitern, die Potential besitzen, sollte man in deren Weiterbildung investieren und Maßnahmen der Persönlichkeitsentwicklung ergreifen.

Wie schätzen Sie den Grad der Belastung von Spa-Mitarbeitern ein?

Hertel: Hier kann man keine Analogien zur Hotellerie und Gastronomie herstellen. Die Arbeit im Spa umfasst eine komplexere menschliche Dienstleistung, da die Mitarbeiter hier auf Tuchfühlung mit dem Gast gehen. Die Taktzeiten in manchen Betrieben sind daher zu hoch.

Welche weiteren Aspekte beeinflussen die Qualität der Dienstleistung?

Hertel: Es kommt auch auf die menschliche Komponente an. Die Fähigkeit zu dienen, ist nicht jedem gegeben. Außerdem wirken sich gruppendynamische Prozesse im Team aus. Wer Wellness gut machen will, muss sich mit der ganzen Komplexität dieses Themas auseinandersetzen.

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