Eine Low-Tech Herztherapie: Das Ornish-Programm

Für manche Patienten kann dieses Lebensstil-Programm eine sichere und wirkungsvolle Alternative zu Medikamenten und Operationen sein.

Von Nancy Waring, erschienen 2001 in der Zeitschrift Hippocrates Vol. 15 No. 1

Aus dem Amerikanischen für den Deutschen Wellness Verband e. V.
ins Deutsche übertragen von Daniela Kaissner und Lutz Hertel, Redaktion: Jürgen Busch

Als Dr. med. Dean Ornish vor 25 Jahren Student am Baylor College of Medicine in Houston war, erschien ihm die Bypassoperation als ungeeignete Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK), eine Behandlung, die sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne das Problem umgeht, ohne sich mit den zugrunde liegenden Ursachen zu beschäftigen. Er bemerkte, dass Patienten nach der Herzoperation oft zu ihrem ungesunden Lebensstil zurückkehrten - fett- und cholesterinreiche Ernährung, fehlendes Stressmanagement, wenig oder keine körperliche Bewegung und Rauchen.

Seine Beobachtungen führten ihn in die medizinische Bibliothek, wo er Studien entdeckte, die darüber berichteten, dass viel Cholesterin und emotionaler Stress das Risiko einer Herzkrankheit erhöhen sowie Studien, die zeigten, dass Stressmanagementtechniken - ganz unabhängig von der Ernährung - sowohl hohes Cholesterin und Blutdruck als auch das stressbedingte Risiko einer Herzerkrankung zu senken vermochten. Er las über die Bedeutung körperlicher Bewegung für die Senkung gesundheitlicher Risiken und über die Gefahren des Rauchens und der sozialen Isolation.

Es erstaunte ihn, dass sich Wissenschaftler immer nur auf einen Bereich konzentriert hatten - Ernährung, Stressbewältigung oder Bewegung - und dass bis dahin niemand vorgeschlagen hatte, diese Maßnahmen zu einem einzigen ganzheitlichen Programm zusammen zu fassen. "Ich wollte ein Lebensstil-Programm schaffen, dass auf den zugrunde liegenden Prozess der Herzkrankheit abzielt," erinnert sich Dr. Ornish.

1977 begann der 24jährige Ornish zu untersuchen, ob Herzpatienten von einer Umstellung der Ernährung und des Lebensstils profitieren könnten. Er unterbrach sein Studium, erhielt ein Stipendium und die Unterstützung des Dekans der medizinischen Hochschule und zog sich mit zehn Herzpatienten in ein Hotel in Houston zurück. Unter Ornishs Leitung verbrachten die Patienten hier einen Monat mit einer vegetarischen fettarmen Ernährung (10% Fettanteil der Kalorien).

Dr. Ornish erklärt dazu: "Die Ernährung ist vegetarisch, da vegetarische Kost so wenig krankheitserzeugende  Substanzen enthält, einschließlich Cholesterin und gesättigten Fetten und reichhaltig an schützenden Substanzen wie Phytoöstrogenen, Lycopin und Polyphenolen ist. Und sie ist reich an komplexen Kohlenhydraten - Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten - weil diese sättigen und, im Gegensatz zu einfachen Kohlenhydraten, keinen überschießenden Insulinausstoß verursachen."

Dr. Ornish unterrichtete die Patienten außerdem in Yoga und Meditation, schulte sie in einem moderaten Bewegungsprogramm und betreute sie in unterstützenden Gesprächsgruppen. Alle zehn Patienten erzielten Verbesserungen. Ihre Cholesterinspiegel und ihr Blutdruck sanken. Viele hatten einen verbesserten Blutfluss zu ihrem Herzen und berichteten über weniger Schmerzen in der Brust (angina pectoris).

Aber die Ergebnisse waren alles andere als endgültig. Die Thallium-Szintigraphie, mit der der Blutfluss im Herzen gemessen wurde, galt als zu ungenau. Und es hatte keine randomisierte (Anm: Zufallsverteilung der Probanden) Kontrollgruppe gegeben.

Ornish ging zurück an die Hochschule, entschlossen, weitere, besser angelegte Untersuchungen durchzuführen, nachdem er sein Studium abgeschossen haben würde. Er ahnte noch nicht, dass das, was als Überlegungen eines Medizinstudenten begonnen hatte, einmal zum Dr. Dean Ornish-Programm zur Rückbildung der koronaren Herzkrankheit werden sollte.

Das ein Jahr dauernde Programm wird heute in 12 amerikanischen Städten angeboten - unter ihnen Seattle, Pittsburgh und Washington. 12 weitere Städte werden wahrscheinlich in diesem Jahr noch hinzu kommen. Das Programm wird, zumindest teilweise, von 40 Krankenversicherungen anerkannt und bezahlt. Von der Behandlung - dieselbe Kombination aus Ernährung, Stressbewältigung, Raucherentwöhnung, Bewegung und Gesprächgruppe, die Ornish 1977 entwickelte - scheinen nach den vorliegenden Studien-Ergebnissen auch alte Menschen zu profitieren.

1.800 Medicare-Patienten (staatlicher Gesundheitsdienst für Senioren) nehmen zurzeit an einer Multicenter-Studie teil, um die Wirksamkeit des Programms für diese Bevölkerungsgruppe nachzuweisen. Eine Online-Version des Programmes für die Internetseite WebMD wird gerade entwickelt, sagt Dr. Ornish und bemerkt, dass er jedes Jahr tausende von Briefen von Menschen erhielte, die eines oder mehrere seiner fünf Bücher verwendet haben, um die Lebensstiländerungen umzusetzen, die er empfiehlt. Die Ideen, die er als Medizinstudent zu entwickeln begann, wurden damals als seltsam betrachtet.

Heute unterrichtet er sie als Professor für Medizin an der University of California, San Francisco, wie selbstverständlich seinen eigenen Studenten. Und er teilt sie mit seinen Kollegen als Vortragender auf kardiologischen Kongressen. Als Mitglied der Kommission für komplementäre und alternative Medizin des Weißen Hauses wurde Dr. Ornish eingeladen, seine Forschungsergebnisse international führenden Persönlichkeiten vorzustellen, darunter auch Ex-Präsident Clinton und anderen Staatoberhäuptern sowie Kongressabgeordneten.

Die randomisierten Kontrollstudien

Nach seinem Abschluss am Baylor College verschob Dr. Ornish seine weitere Ausbildung um ein Jahr, um eine erste randomisierte Studie seines Ernährungs- und Lebensstilprogramms durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Studie, die in der Fachzeitschrift des amerikanischen Ärzteverbandes, dem Journal of the American Medical Association, veröffentlicht wurden, zeigten sich als genauso viel versprechend wie die vorherige Studie. Doch diese randomisierte Studie war genau wie die vorherige sehr kurz, nur 24 Tage lang, und wurde in einer eher zurückgezogenen Umgebung durchgeführt. So konnten keine Schlüsse gezogen werden, ob das Programm auch im täglichen Leben umsetzbar ist. Ebenfalls wurde nicht untersucht, ob es möglicherweise zu Rückbildungen der Gefäßverschlüsse an den Koronararterien gekommen war.

Um diese beiden wichtigen Themen zu behandeln zog Dr. Ornish nach San Francisco und gründete dort das gemeinnützige Institut für Präventivmedizin, nachdem er seine Ausbildung zum Arzt für innere Medizin an der Harvard Medical School und dem Massachusetts General Hospital in Boston abgeschlossen hatte.

1986 begann Ornish mit seiner Lebensstil-Herz-Studie und das damalige Programm richtete sich bereits nach den gleichen Grundsätzen wie das heutige. Die Patienten stellten ihre Ernährung um und verzichteten auf das Rauchen. Sie nahmen zweimal wöchentlich an vierstündigen unterstützenden Gesprächsgruppen teil, die vom Institut organisiert und von Psychologen betreut wurden. Außerdem besuchten sie Koch- und Ernährungsseminare. Unter fachlicher Leitung erlernten sie Yoga, progressive Entspannungs-, Atem-, und Visualisierungstechniken sowie Meditation und absolvierten ein aerobes Bewegungstraining.

An Tagen ohne Gruppentreffen wurden die Patienten dazu aufgefordert, ihre Übungen zur Stressbewältigung eine Stunde am Tag selbständig fortzuführen. Dazu sollten sie dreimal wöchentlich mindestens für eine halbe Stunde ein Bewegungstraining absolvieren. Ornish empfahl besonders Spaziergänge, da sich dabei das Verletzungsrisiko und das Risiko eines plötzlichen Herztodes auf ein Minimum reduzieren lassen.

Die in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichten Ergebnisse der Lifestyle Heart Trial sorgten in der medizinischen Fachwelt für viel Wirbel und führten zu Titelgeschichten in Newsweek und anderen großen Zeitungen. Bei 82% der 22 Patienten der Versuchsgruppe, die die ganze Studie durchliefen, war es nach einem Jahr zu Rückbildungen der Gefäßverengungen an den Koronararterien gekommen; dabei verringerte sich der Stenosendurchmesser um durchschnittlich 2,2% von 40% auf 37,8%.

Dr. Ornish erklärt, dass dieser scheinbar geringe Unterschied von 2,2% schon zu einer erheblichen Verbesserung des Blutflusses zum Herzen führe. Bei den 20 Patienten der Kontrollgruppe, die aufgefordert wurden, sich an die Empfehlungen der amerikanischen Herzgesellschaft (American Heart Association) zu halten  - d.h. 30% oder weniger der täglichen Kalorienaufnahme sollte aus Fett bestehen, gemäßigtes Bewegungstraining und Verzicht auf das Rauchen - kam es zu einer Vergrößerung des Stenosendurchmessers um durchschnittlich 3,4% von 42,7% auf 46,1%.

Bei den Patienten der Kontrollgruppe vermehrten sich die Schmerzen in der Brust (Angina pectoris) und ihre LDL-Werte verbesserten sich nur geringfügig, wohingegen in der Versuchsgruppe bei diesen beiden Faktoren signifikante Verbesserungen erzielt werden konnten.

Insgesamt 20 Patienten der Versuchsgruppe und 15 Patienten der Kontrollgruppe nahmen an einer Nachfolge-Studie teil, die sich über einen Zeitraum von vier Jahren erstreckte. Finanziert und somit ermöglicht wurde diese Studie durch die National Institutes of Health (Gruppe staatlicher Forschungsinstitute), das Fetzer Institut (medizinisches Forschungsinstitut) sowie anderen Befürwortern. In der Versuchsgruppe kam es zu einer weiteren Rückbildung der Arteriosklerose um durchschnittlich 7,9% nach fünf Jahren. In welchem Unfang sich die Blockaden in den Herzarterien letztendlich zurückbildeten, hing direkt damit zusammen, wie konsequent die Patienten das Programm befolgt hatten, so Ornish.

Bei den Patienten der Kontrollgruppe zeigte sich nach fünf Jahren eine Verschlechterung bei den koronaren Gefäßverengungen von 27,7%, obwohl 60% von ihnen zusätzlich blutfettsenkende Medikamente (Lipidsenker) zwischen dem ersten und dem fünften Jahr der Studie einnahmen. (Keiner der Patienten der Versuchgruppe nahm diese Medikamente ein.)

Die LDL-Cholesterinwerte der Programmteilnehmer fielen im ersten Jahr um 40% und blieben nach 5 Jahren 20% unter dem Anfangswert. Bei den Patienten der Kontrollgruppe reduzierten sich die LDL-Werte im ersten Jahr um 1,2% und waren nach 5 Jahren 19,3% niedriger als am Anfang. Diese Verbesserung ist wahrscheinlich auf die blutfettsenkenden Medikamente zurückzuführen, meint Dr. Ornish.

Nach einem Jahr verringerten sich bei den Teilnehmern der Versuchgruppe die Schmerzen in der Brust um 91% und nach fünf Jahren um 72%. Bei den Patienten der Kontrollgruppe war nach einem Jahr ein Anstieg der Angina pectoris um 180% zu beobachten bevor sie sich dann nach fünf Jahren um 36% verringerten. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass an dreien dieser Patienten zwischen dem ersten und dem fünften Jahr Ballonerweiterungen (koronare Angioplastien) durchgeführt wurden.

Die Gewichtsreduktion der Patienten der Versuchsgruppe betrug nach einem Jahr durchschnittlich ca. 10,9 kg und auch nach fünf Jahren waren sie immer noch um die 5 kg leichter als zu Anfang. Bei den Teilnehmern der Kontrollgruppe dagegen veränderte sich das Gewicht kaum. Bei allen 48 ursprünglichen Studienteilnehmern wurden die kardialen Ereignisse dokumentiert.

In fünf Jahren konnten bei den 20 Patienten der Kontrollgruppe 45 kardiale Ereignisse festgestellt werden und 25 solcher kardialer Ereignisse bei den 28 Teilnehmern der Versuchsgruppe. Positronen-Emissions-Tomographie-Scan-Diagnostiken (PET-Scan) zeigten, dass bei 99% der Versuchsgruppenteilnehmer ein weiteres Fortschreiten der koronaren Herzkrankheit aufgehalten werden konnte oder dass sich die Krankheit zurückbildete. Die Ergebnisse dieser PET-Scan-Aufnahmen wurden 1995 in der Medizinzeitschrift JAMA veröffentlicht.

Nach eigenen Angaben fühlten sich die Programmteilnehmer besser und über die Zeit ließ sich auch noch eine Steigerung dieses Wohlbefindens beobachten, erzählt Dr. Ornish. Er merkt an, dass Angstzustände und depressive Missstimmungen abnahmen und dass dadurch die Patienten bestärkt wurden weiterzumachen. Einige der ursprünglichen Teilnehmer der Lebensstil-Herz-Studie treffen sich auch weiterhin einmal wöchentlich, um sich gegenseitig auf ihrem Weg zu unterstützen, der ihre Lebensqualität so entscheidend verbessert und ihnen vielleicht sogar das Leben gerettet hat.

Einsparungen aufzeigen und Vorteile sichern

Anfang der 90er Jahre begann Ornish an amerikanische Krankenkassen und Versicherungen heranzutreten. Ihm war die Verbreitung seines Lebensstil-Programms sehr wichtig und außerdem drängte sich die Frage auf, ob Patienten durch die Teilnahme an seinem Programm nicht viel Geld sparen könnten, da kostenintensive Eingriffe überflüssig würden. Zu Anfang wies man ihn weitestgehend ab. Die Krankenversicherer meinten, sein Programm sei präventiver Art und Prävention würden sie nicht finanzieren.

Außerdem wäre dieses Programm zu strikt, die Menschen würden sich wahrscheinlich einfach nicht daran halten und so wären die Kostenersparnis nur rein hypothetisch. Doch Ornish blieb beharrlich auf dem Standpunkt, dass sein Programm eine Alternative - und zwar eine potentiell kostengünstigere Alternative - zu den bestehenden Behandlungsmethoden von Herzkrankheiten sei. 1993 verpflichtete sich die Mutual Versicherungsgesellschaft aus Omaha dem Programm und ermöglichte so eine weitere Studie. Diese war primär darauf gerichtet, dem Programm noch mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, so dass mehr Versicherungsgesellschaften nachziehen würden.

Dr. Ornish erklärt: "Wir begannen ganze Teams von Ärzten und Medizinern im ganzen Land zu schulen. Es sollte herausgefunden werden, ob noch mehr Patienten für dieses Programm gewonnen werden konnten und ob es für bestimmte Patienten eine sichere und wirksame Alternative zu Bypassoperationen und Ballondilatationen war, wodurch die Anzahl der Folgeoperationen reduziert werden könnte. Schließlich ging es darum, aufzuzeigen, dass Einsparungen möglich sind." Zunächst nahmen acht Kliniken an dem Multicenter-Lebensstil-Demonstrations-Projekt teil, darunter das Massachusetts General Hospital, dass als Datensammelstelle diente.

Das Projekt dauerte ein Jahr, doch das Ornish-Forschungsteam begleitete die 333 Programmteilnehmer über drei Jahre hinweg. "In dieser Zeit konnten bei 77% der Patienten Bypassoperationen oder Ballondilatationen vermieden werden, " sagt Dr. Ornish, "und die Versicherungsgesellschaften fanden heraus, dass sich die Kostenersparnisse auf fast USD 30.000,- pro Patient beliefen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden 1998 im American Journal of Cardiology veröffentlicht.

Im November 1997 begann die Highmark Blue Cross Blue Shield-Krankenversicherung das Programm vollständig anzuerkennen und zu fördern. Sie ermöglichte sowohl Patienten mit manifesten Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Teilnahme, als auch solchen mit Risikofaktoren wie hohen Cholesterinwerten, Bluthochdruck und Herzerkrankungen in der Familie. Bis Juli 2000 wurden bei den 350 Programmteilnehmern der Highmark-Krankenversicherung keinerlei Todesfälle, Herzanfälle, Bypassoperationen oder Herztransplantationen verzeichnet. Vier der Teilnehmer unterzogen sich Ballondilatationen, einer hatte einen Infarkt. Die Krankenversicherung schätzt, dass sie so USD 17.000,- pro Patient einsparen konnte.

Einer der Highmark-Patienten, Walter Czapliewicz, 45, "schluckte Nitroglycerin wie Bonbons" bevor er im Jahr 2000 mit dem Programm begann. Mit 41 hatte er seine erste Herzinsuffizienz bald darauf folgten eine Ballondilatation und eine Bypassoperation. Heute ist Walter Czapliewicz schmerzfrei und seine Cholesterin- und Triglyzeridwerte haben sich normalisiert. Er meint: "Damals, als ich noch so viel Nitroglycerin nehmen musste, teilte mir mein Kardiologe praktisch mit, dass ich ohne eine weitere Operation bald im Sarg liegen würde. Genau das ist meine Motivation weiter bei dem Programm zu bleiben."

Stellt das Programm zu hohe Ansprüche an die Patienten?

Obwohl die Vorteile des Ornish-Programms auf der Hand zu liegen scheinen, stellen viele Ärzte oft die Frage, ob es für den Großteil der Amerikaner überhaupt umsetzbar sei, angesichts der strikten Ernährung und den vielen anderen Herausforderungen, die eine umfassende Änderung des Lebensstils mit sich bringe. Erstens erfordert das Programm im praktischen Teil sehr viel Zeit und zweitens muss man sich ein Leben lang daran halten, wenn man dauerhaft profitieren möchte.

Dr. med. Robert H. Eckel, Vorsitzender des Ernährungsausschusses der Amerikanischen Herzgesellschaft meint: "Die Studien von Dean Ornish beweisen deutlich den Nutzen für einige ausgewählte Patienten mit Herzerkrankungen. Weder ich noch die Amerikanische Herzgesellschaft bestreiten dies. Die meisten Menschen wollen jedoch kein Ernährungsprogramm befolgen, das nur 10% Fett zulässt. Im Laufe der Zeit beansprucht diese Ernährung, die Raucherentwöhnung, das Bewegungstraining und das Meditieren viel Zeit und auch Geld. Die Frage der praktischen Anwendbarkeit ist einer der Gründe, warum wir uns nicht eingehender mit dieser Behandlungsmethode beschäftigen."

Die Empfehlungen der Amerikanischen Herzgesellschaft für die Durchschnittsbevölkerung lauten folgendermaßen: Reduzierung der Fettaufnahme auf 30% oder weniger, davon 7% - 10% aus gesättigten Fetten und weniger als 300 mg Cholesterin täglich. Den Menschen, bei denen schon kardiale Ereignisse festgestellt wurden oder es bereits zu medizinischen Eingriffen gekommen ist, sowie solchen mit einem großen Risiko, eine Herzkrankheit zu entwickeln, werden weitere Einschränkungen empfohlen, d.h. weniger als 7% der täglichen Kalorienaufnahme aus gesättigten Fetten und weniger als 200 mg Cholesterin täglich.

Dr. med. William Roberts, Redakteur des American Journal of Cardiology und ein großer Befürworter des Programms gibt zu, dass "die Ornish-Herzdiät wirklich nicht einfach ist, weil die meisten Amerikaner in einer Umgebung leben, die vor Fett nur so trieft. Doch diese Ernährung sollten wir alle anstreben. Nur bei einem von 500 Menschen ist die Arteriosklerose erblich bedingt, wir anderen erkranken daran, weil wir uns genüsslich an den Tisch setzen und Dinge essen, die wir ganz einfach nicht essen sollten."

Nach Ornish sind die großen Veränderungen der Lebensweise, die das Programm von den Patienten fordert, oft einfacher als kleinere Veränderungen. Denn bei den großen Veränderungen sind Erfolge auch viel schneller sichtbar. "Der Gesundheitszustand der Menschen verbessert sich meist so schnell, dass die Beweggründe für diese Veränderungen oft ganz neu definiert werden. Es geht dann nicht mehr darum, Risikofaktoren zu minimieren, sondern sein allgemeines Wohlbefinden zu steigern. Das Gehirn und das Herz werden besser durchblutet, die Menschen haben mehr Energie, können klarer denken und die Angina pectoris verringert sich. Das sind doch letztendlich die Faktoren, die wichtig sind." Er bemerkt, dass seine Diät vielleicht leichter sei als man denke. Zwar sind bestimmte Lebensmittel tabu, aber die Anzahl der Portionen und der Kalorien sind unbeschränkt. "Wenn die Menschen ihre Verhaltensweisen nur wenig ändern, erfahren sie oft nur die negativen Seiten. Sie haben die Mühe und müssen Entbehrungen ertragen, aber spüren keine Verbesserung, weil die Veränderungen nicht umfassend genug waren."

Oft werden die Menschen auf die bereits erwähnte Diät der Amerikanischen Herzgesellschaft gesetzt und die meisten Studien zeigen, dass sich dann ihre LDL-Werte um ca. 5% verringern. Doch oft verschlechtert sich die Arteriosklerose. Die Patienten bekommen in den meisten Fällen lipidsenkende Medikamente verschrieben oder die Mitteilung, dass eine weitere Revaskularisation (operative Gefäßerweiterung) nötig sei. Die Möglichkeit einer weiteren Alternative wird ihnen jedoch vorenthalten.

"Ob man nun seinen Lebensstil grundlegend ändern möchte oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung. Ich bin jedoch der Meinung, dass man den Menschen alle Tatsachen vor Augen führen sollte, damit sie gut informiert eine Entscheidung treffen können. Es gibt keine Behandlungsmethode, weder Medikamente, Operationen, noch Umstellungen des Lebensstils, die für alle Menschen gleichsam die Richtige oder die Wirksamste ist." so Ornish. "Ich erzähle meinen Patienten, dass sie vielleicht bald ohne Medikamente auskämen oder zumindest weniger bräuchten, wenn sie bereit seien, ihren Lebensstil zu ändern. Der einzige Unterschied zwischen mir und der Amerikanischen Herzgesellschaft und den Pharmazieunternehmen besteht darin, dass diese den Menschen nicht alle Möglichkeiten aufzeigen."

Welcher Teil des Ornish-Programms zeigt die meiste Wirkung?

Dr. Ornish ist der Meinung, dass die immer wiederkehrende Frage nach der Effektivität der einzelnen Programmkomponenten einer Denkweise entspringt, die das Programm nur auf seine Einzelteile reduziert. "Wenn man z.B. einer Gruppe von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein reines Bewegungsprogramm verordnet, dann verschafft man ihnen nicht nur Bewegung, sondern vermittelt ihnen auch ein Gefühl der Hoffnung und der Stärke. Da die Patienten oft zusammen trainieren, entsteht eine Gruppe, in der sich Menschen mit ähnlichen Problemen gegenseitig unterstützen, aufeinander zugehen und sich öffnen. Es werden Beziehungen geknüpft. Ich denke es ist wichtig zu wissen, dass man nie alle Faktoren kontrollieren kann, sondern immer nur einen. Also, wenn man genug Grund zu der Annahme hat, dass jede Komponente des Programms etwas bewirkt, warum sollte man da nicht alle simultan einsetzen und den Synergieeffekt nutzen?" fügt Ornish hinzu.

"Welcher Teil sich dabei als am Wirksamsten herausstellt, kann ganz unterschiedlich sein. Bei einem wirklich gestressten Patienten wird das Stressmanagement eine wichtigere Rolle spielen als das Ernährungsprogramm. Wohingegen bei einem Patienten mit einer sehr ungesunden Ernährungsweise, der aber geringerem Stress ausgesetzt ist, der Schwerpunkt auf der Ernährung liegen wird."

Doch unabhängig davon sind für viele Menschen die unterstützenden Gesprächsgruppen der wichtigste Teil des gesamten Programms. Ornish verweist auf einen im Jahre 1993 in der JAMA erschienenen Artikel. Dort wird berichtet, dass bei depressiven Patienten die Sterblichkeitsrate sechs Monate nach einer Herzinsuffizienz bei 17% liegt. Bei nicht-depressiven Patienten liegt sie dagegen bei 3,2%. "Viele der Verhaltesweisen, die zu einer Herzkrankheit führen können, wie das Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum, wurzeln im inneren Schmerz und Leid der Menschen", so Ornish. "Die unterstützenden Gesprächsgruppen, die nach Beendigung des offiziellen Programms in selbstverantwortlich weitergeführt werden, geben den Menschen die Möglichkeit, ihr Herz sowohl in spiritueller als auch in emotionaler Hinsicht zu öffnen. Dies hat eine überaus heilende Wirkung und ist oft unabdingbar für eine weitere konsequente Einhaltung des Programms." Für einige, darunter Werner Hebenstreit, 86, der nun schon seit 15 Jahren nach Grundsätzen des Ornish-Programms lebt, sind diese unterstützenden Gruppentreffen nach wie vor bei weitem die wichtigste Komponente des ganzen Programms.

LDL, HDL und Triglyzeride

Bei dieser Ernährung ist manchmal zu beobachten, dass sich das HDL-Cholesterin der Patienten verringert und sich die Triglyzeridwerte erhöhen. Kritiker, die sich nur darauf konzentrieren, verwechseln laut Ornish Risikofaktoren und Krankheit. Er merkt an, dass "sich auch bei vielen dieser Patienten die Arteriosklerose zurückbildet. Bei einer fettarmen vegetarischen Ernährung sind niedrige HDL-Werte nicht unbedingt schädlich. Der Körper produziert HDL, um überschüssige gesättigte Fette und Cholesterin abzubauen. Viel mehr gefährdet ist vielleicht derjenige, der sich von amerikanischer Durchschnittskost ernährt und dessen Körper gar nicht genug HDL produzieren kann, um das übermäßige Fett und Cholesterin loszuwerden. Doch wenn man Fett und Cholesterin nach unseren Empfehlungen reduziert, dann muss der Körper nicht mehr so viel HDL produzieren, weil er nicht mehr so viel zusätzliches Fett und Cholesterin abbauen muss."

Manchmal bewirkt eine fettarme Ernährung einen Anstieg der Triglyzeridwerte, da "viele Patienten oft Fett durch Zucker ersetzen. Dadurch schießt der Blutzuckerwert in die Höhe und die Bauchspeicheldrüse wird angeregt Insulin auszuschütten, um den Blutzuckerwert wieder abzusenken. Das Insulin wiederum beschleunigt die Umwandlung der Kalorien in Triglyzeride." Bei den meisten Menschen spricht nichts gegen einen moderaten Zuckerkonsum, einige müssen ihn jedoch stark einschränken. Dr. Ornish sagt: "Wir fanden heraus, dass bei einem kleinen Teil der Programmteilnehmer, die empfindlich auf Kohlenhydrate reagieren und deren Triglyzeridwerte steigen, diese normalerweise wieder sinken, wenn die Patienten im Laufe des Programms noch bewusster den Konsum von Einfachzucker und Alkohol reduzieren und sich mehr bewegen."

In diesem Punkt stimmt Dr. Eckel mit Ornish überein: "Der Zucker ist wahrscheinlich der wichtige Faktor bei den Triglyzeridwerten. Bei einer Ernährung wie der von Dean Ornish, die reich an komplexen Kohlehydraten ist, sagen diese veränderten Triglyzeridwerte nicht viel aus." Auch teilt er Ornishs Meinung in Bezug auf das durch die Ernährung hervorgerufene Absinken des HDL-Cholesterinspiegels: "Es ist nicht bewiesen, dass dies im Rahmen einer sehr fettarmen Ernährung schädlich ist." Dr. Roberts betont die Wichtigkeit LDL, HDL und Triglyzeridwerte im Verhältnis zueinander zu bewerten. "Wenn man einen Cholesterinwert von 300 hat, einen LDL-Spiegel von 200 und einen HDL-Wert von 25, ist das schlimm."

Ein so hoher LDL-Wert signalisiert, dass sich viel Cholesterin in den Arterienwänden ablagert und nicht genügend HDL vorhanden ist, um es zur Ausscheidung in die Leber zu transportieren. In so einem Fall sind die Triglyzeridwerte gewöhnlich erhöht und die LDL-Partikel denkbar schlecht zusammengesetzt - klein und dicht statt groß und locker angeordnet. Etwas erhöhte Triglyzeridkonzentrationen können - aber müssen an sich nicht besorgniserregend sein. Sie sind aber oft Vorboten für Schlimmeres. Wenn sie hoch sind, dann ist der HDL-Spiegel gewöhnlich niedrig und die LDL-Partikel klein und dicht." Aber diese Konstellation ist für Patienten, die die Ornish-Herzdiät befolgen, sehr unwahrscheinlich. Dr. Roberts merkt an: "Die Dean Ornish Herzdiät ist so fettarm, dass die meisten Menschen ihren Cholesterinspiegel auf unter 150 mg/dl absenken können, und das ist ein Wert, denn wir alle haben sollten. Bei einem solchen Cholesterinspiegel und einem LDL-Wert von unter 100 brauche ich mir keine Sorgen zu machen, so lange der HDL-Spiegel über 20 bleibt und das ist bei der Ornish-Diät meistens der Fall. Bei dieser Zusammensetzung werden auch die Triglyzeridwerte kaum besorgniserregend sein."

Fisch oder Fischöl?

In ihren Leitlinien empfiehlt die Amerikanische Herzgesellschaft zweimal pro Woche Fisch zu essen, da die positiven Auswirkungen eines regelmäßigen Fischverzehrs auf das Herz-Kreislauf-System immer mehr bewiesen werden. Dr. Eckel meint: "Das Fehlen von Fisch in der Ornish-Herzdiät steht unter Umständen nicht im Einklang mit einer gesunden Ernährungsweise. Fischöl ist möglicherweise genauso gut, doch im Moment gilt Fischverzehr als die bessere Methode. Wir setzen auf Nahrungsmittel und nicht auf Nahrungsergänzungsmittel."

Dr. Ornishs Vorbehalt gegenüber Fisch rührt daher, dass die Fischsorten, die besonders reich an essenziellen Omega-3-Fettsäuren sind, einschließlich Lachs, Makrele oder Sardine, auch den höchsten Fett- und Cholesteringehalt aufweisen und oft Toxine wie Quecksilber enthalten. Frauen empfiehlt Ornish die Aufnahme von 3 g Fischöl pro Tag oder Leinöl, das auch Omega-3-Fettsäuren enthält. Männern empfiehlt er nur Fischöl, da einige Studien andeuten, dass Leinöl möglicherweise das Wachstum von Prostatakrebs fördert. Omega-3-Fettsäuren haben vielleicht noch mehr positive Eigenschaften. Ornish bemerkt: "Einige Studien weisen darauf hin, dass die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren möglicherweise bei manchen Frauen das Brustkrebsrisiko senkt, Entzündungen bei einigen Arthritisformen lindert und den Triglyzeridspiegel reduziert." Dr. Ornish fügt hinzu, dass seine Herzdiät den Verzehr von Fisch zwar ausschließe, seine Präventiv-Diät dagegen Fisch enthalten könne. "Die Faustregel bei Prävention lautet: Wenn man einen Gesamt-Cholesterinwert von unter 150 mg/dl hat - und zwar ohne Cholesterin senkende Medikamente - oder das Verhältnis von Gesamt-Cholesterin zu HDL Cholesterin bei unter drei liegt, dann ernährt man sich wahrscheinlich ausgewogen genug, um einer Herzkrankheit vorzubeugen".

Neue Projekte

Im Jahr 2000 begann Lifestyle Advantage (ein Gemeinschaftsunternehmen des Instituts für Präventivmedizin und der Highmark Krankenversicherung) Lizenzen für das Ornish-Programm an Versicherungsgesellschaften, Kliniken und andere Gesundheitsorganisationen zu vergeben und ermöglichte es Ornish so, sich vermehrt neuen Projekten zu widmen. Er arbeitet zurzeit an einer Neuauflage seines 1990 erschienenen Buchs Revolution in der Herztherapie und an der Online-Version seines Programms für die Internetseite WebMD.

Zudem leitet er eine erste randomisierte kontrollierte Studie, um herauszufinden, ob sein Programm das Wachstum von Prostatakrebs verlangsamen kann und denkt über Projekte im Brust- und Darmkrebsbereich nach. Außerdem plant Dr. Ornish gerade eine Studie, in der untersucht werden soll, wie sich sein Programm bei Herzpatienten auswirkt, die auf eine Herztransplantation warten. Denn bei acht solcher Ornish-Herzpatienten hat sich der Gesundheitszustand im Laufe des Programms so verbessert, dass sie von der Warteliste zur Herztransplantation genommen werden konnten.

Zusätzlich verfolgt er eingehend den Verlauf der Medicare-Multicenter-Studie. "Wenn die Studie die Kostenersparnisse bestätigt, die wir schon mit dem Multicenter-Projekt aufgezeigt haben, dann werden die staatlichen Krankenversicherungen, die die Studie auch finanzieren, das Programm vielleicht zu einem festen Bestandteil ihrer Leistungen für alle Medicare-Patienten machen. Wenn dies geschieht, habe ich die Hoffnung, dass andere Versicherungsgesellschaften die Teilnahme an diesem Programm auch jüngeren Patienten ermöglichen, so dass mehr und mehr Menschen aller Altersklassen davon profitieren können."

Bei der Frage, ob sein Programm auch das Leben der Patienten überdurchschnittlich verlängern könne, erwidert Ornish, dass nur groß angelegte Studien dies beantworten können. "Doch da die koronare Herzkrankheit die führende Todesursache sowohl bei Männern als auch bei Frauen ist, und wir bewiesen haben, dass die Krankheit schon nach einem Monat rückgängig gemacht werden kann - oft mit einer weiteren Regression nach einem Jahr und noch mehr nach fünf Jahren - und dass sich die Anzahl der kardialen Ereignisse um das Zweieinhalbfache reduzieren lässt, ist es nicht abwegig zu behaupten, dass wir möglicherweise in der Lage sind Leben zu verlängern. Aber früher oder später werden wir alle sterben, und so stellt sich nicht die Frage wie lange wir leben sondern wie gut wir leben. Einige der Patienten unserer Studien sagen, "Auch wenn ich wüsste, dass ich dadurch nicht einen Tag länger lebe, ich würde diese Veränderungen trotzdem machen, weil sich meine Lebensqualität so sehr verbessert hat."

Die Prostatakrebs-Studie

Im April 1997 begannen Dr. Ornish und zwei führende Urologen mit einer ersten randomisierten kontrollierten Studie, um herauszufinden, ob Ernährungs - und Lebensstilumstellungen das Wachstum von Prostatakrebs verlangsamen oder die Krankheit sogar rückgängig machen können. Mitforscher bei diesem Projekt, das im In-stitut für Präventivmedizin in Sausalito, Kalifornien durchgeführt wird, sind Dr. med. Peter Carroll, Lehrstuhlinhaber der urologischen Abteilung der University of California (UCSF) in San Francisco und Dr. med. William Fair, ehemaliger Leiter des Urologischen Dienstes des Sloan-Kettering-Krebszentrums in New York City.

"Die Befunde aus Tierversuchen, epidemiologischen Studien und Fall-Berichten gleichen denen über Herzerkrankungen vor über 20 Jahren, als ich gerade anfing diesen Bereich zu erforschen." sagt Dr. Ornish. "Zum Beispiel tritt klinisch erwiesener Prostatakrebs viel seltener in den Teilen der Welt auf, wo sich die Menschen hauptsächlich von fettarmer, vollwertiger und auf Pflanzen basierender Kost ernähren. Bei dem kleinen Teil der Menschen in den USA, die sich ebenfalls so ernähren, ist die Brust - und Prostatakrebsrate viel geringer als bei denen, die typisch amerikanische Durchschnittskost zu sich nehmen." Dr. Ornish weist auf eine viel versprechende, von Dr. Fair 1995 durchgeführte Studie hin, in der Mäusen Prostatatkrebszellen injiziert wurden. Bei den Mäusen, deren Futter 40% Fettanteil enthielt, wuchsen die Tumore stetig an, wohingegen bei den Mäusen, deren Fettaufnahme auf 10% begrenzt wurde, das Krebswachstum  aufgehalten wurde oder die Tumore sogar schrumpften.

Die Forscher konnten bis jetzt 88 Männer rekrutieren, bei denen anhand von Biopsien (Gewebeproben) eindeutig Prostatakrebs diagnostiziert wurde, und die unhabhängig von der Studie zu der Entscheidung gekommen waren, sich nicht konventionell behandeln zu lassen. "Einige der Männer haben sich für die so genannte "watchful waiting-Strategie" (Anmerkung der Übersetzerin: "watchful waiting": beobachtendes Zuwarten mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen, um invasive Therapiemaßnahmen zu vermeiden) entschieden, so Dr. Carroll, "weil es noch für kein Stadium des Prostatakrebs einen Konsens über die richtige Behandlungsmethode gibt, und weil einige Therapien Nebenerscheinungen wie sexuelle Dysfunktionen, Darmstörungen und Inkontinenz zur Folge haben. Wir testen das Lebensstil-Programm an Männern, deren Risiko niedrig ist - eher an älteren Männern mit kleineren Karzinomen." Er bemerkt: "Wir sind der Meinung, dass dieses Programm nicht die alleinige Behandlung bei Männern mit fortgeschrittenem Prostatakrebs darstellen sollte."

44 Patienten der Versuchsgruppe beendeten die einjährige Behandlung - das Ornish Lebensstilprogramm - und zur gleichen Zeit wurde es 44 Patienten einer Kontrollgruppe freigestellt, selbständig Lebensstiländerungen vorzunehmen. Bei allen Teilnehmern wurde zu Anfang der Studie der prostataspezifische Antigen-Wert (PSA-Wert) und der freie PSA-Wert gemessen und dies im Laufe des Jahres alle drei Monate wiederholt. Um die Größe des Karzinoms und die Wachstumstätigkeit festzustellen, wurden am Anfang und nach einem Jahr eine Magnet-Resonanz-Tomographie und eine Spektroskopie durchgeführt.

Während man dabei sei, die volle Teilnehmerzahl der Studie von 120 Patienten zu rekrutieren, seien die ersten Ergebnisse ermutigend, bemerkt Ornish. "Die PSA-Werte der Patienten der Versuchsgruppe sinken leicht und die der Kontrollgruppenteilnehmer steigen allmählich an. Genau wie in der Lebensstil-Herz-Studie können wir beobachten, dass positive Veränderungen im direkten Zusammenhang mit der konsequenten Einhaltung des Programms stehen."

Dennis Simkin, 54, bei dem vor fast vier Jahren ein Prostatakarzinom diagnostiziert wurde, meldete sich nach einem Vortrag von Dean Ornish an der University of California für die Studie und hatte, wie er sagt, "Glück für die Versuchsgruppe ausgewählt zu werden, an der das Ernährungs- und Lebensstil-Programm getestet wurde." Simkin befolgt das Programm nach Beendigung der Studie auch weiterhin und steht als Mentor für neuere Teilnehmer zur Verfügung. Sein PSA-Wert, zu Beginn bei 6,5 ng/ml, sank nach einem Jahr auf 4,5 ng/ml. Seine einst immer wiederkehrenden Kopfschmerzen sind nun verschwunden, er empfindet weniger Stress und hat mehr Energie. Simkin stellt fest: "Ich bin mir 98%ig sicher, dass dies die beste Behandlungsmethode für mich ist. Doch wenn etwas falsch laufen würde - wenn z.B. mein PSA-Wert anstiege - stehe ich unter ausreichender Beobachtung, so dass ich sofort konventionell behandelt werden könnte, sobald ich es bräuchte."

Ornish-Ernährungsleitlinien

  • Fett: weniger als 10% der täglichen Kalorienaufnahme, davon hauptsächlich mehrfach ungesättigte und einfach ungesättigte Fette
  • Kohlenhydrate: 70% bis 75% der täglichen Kalorienaufnahme
  • Eiweiß: 15% bis 20% der täglichen Kalorienaufnahme
  • Gesamtkalorien: keine Begrenzung
  • Nahrungs-Cholesterin: weniger als 5 mg täglich
  • Tierische Produkte: nicht enthalten, außer fettfreien Milchprodukten und
  • Eiweiß von Eiern
  • Zucker: gemäßigt
  • Koffein: nein (auch kein Schwarztee)
  • Speisesalz: falls von medizinischer Seite nicht untersagt, moderater Salzgebrauch
  • Alkohol: kleinere Mengen erlaubt, aber abgeraten
  • Nahrungsergänzungen: Multivitaminpräparat, Vitamin C, Vitamin E,
  • Folat, Selen, Leinöl (nur Frauen), Fischöl (Männer)

Aus der Sicht eines Patienten

Werner Hebenstreit, 86, bezeichnete sich selbst als "Herzkrüppel auf Lebenszeit" als er 1986 nur widerstrebend zustimmte, an der Lebensstil-Herz-Studie von Dr. Ornish teilzunehmen. Er hatte gerade seinen zweiten Herzinfarkt hinter sich  - der erste war 1981 - und litt nun schon seit 10 Jahren an Schmerzen im Brustbereich.

"Nach den zwei Herzinfarkten war ich psychisch am Boden. Ich war wütend und verging in Selbstmitleid und ärgerte mich furchtbar über die Ärzteschaft, die mir nicht helfen konnte, und mir meiner Meinung nach nur zu viele Medikamente verabreichte. Ich erinnere mich noch, wie ich wieder einmal bedrückt zu Hause saß, als mir meine Frau sagte, ein Dr. Ornish sei am Telefon. Doch ich weigerte mich mit ihm zu sprechen. Meine Frau meinte, er sei ein Freund unseres Arztes und ich solle mir doch wenigstens anhören, was er zu sagen habe. So ging ich ans Telefon und sagte, "Dr. Ornish, was immer Sie mir auch anbieten, ich werde es nicht machen."

Er erzählte mir dann, dass mich mein Arzt als geeigneten Probanden für seine Studie vorgeschlagen habe, und überredete mich zu einem Beratungsgespräch. Schließlich stimmte ich zu, an seiner Studie teilzunehmen." Hebenstreit meint, das Ernährungsprogramm sei für ihn kein Problem gewesen - er hatte sich in Indien schon einmal 10 Jahre lang vegetarisch ernährt, nachdem er im Alter von 20 Jahren sein Geburtsland Deutschland verlassen hatte. Auch mit dem nur moderaten Alkoholkonsum und der Nikotinabstinenz hatte er keine Probleme und er genoss das Bewegungsprogramm, da er immer schon ein leidenschaftlicher Wanderer gewesen war. Anfangs empfand er das Meditieren als frustrierend, weil er Schwierigkeiten hatte, sich zu konzentrieren.

Er sagt: "Doch am schwierigsten waren für mich die unterstützenden Gruppentreffen. Bis dahin war ich ein typischer Einzelgänger gewesen und hatte meine Gefühle immer gut unter Verschluss gehalten." Hebenstreit bemerkt, dass er neben den Gefühlen, die seine Krankheit betrafen, auch noch unverarbeitete Wut gegenüber den Nazis mit sich herumtrug, gepaart mit intensiven Schuldgefühlen, die viele Holocaust-Überlebende plagen. "Doch mit der Zeit lernte ich mein Herz zu öffnen und die Gruppentreffen nahmen einen wichtigen Platz in meinem Leben ein." Hebenstreit trifft sich auch weiterhin wöchentlich mit bis zu 20 Teilnehmern der ursprünglichen Lebensstil-Herz-Studie zu Gesprächsrunden, Yogaübungen und zum gemeinsamen Essen, zu dem jeder Teilnehmer etwas mitbringt.

Dieses Programm, das er nun schon seit 15 Jahren befolgt, "hat nicht nur meine Gesundheit wiederhergestellt, sondern mir auch wieder Hoffung gegeben." so Hebenstreit. Nach dem ersten Jahr bildete sich eine Verengung in einer seiner Arterien um 14% von 54% auf 40% zurück - und nach fünf Jahren auf 13%. Sein Cholesterinspiegel, der am Anfang der Studie bei 320 mg/dl lag, fiel bald auf den heutigen Durchschnittswert von ca. 145 mg/dl. Alle fünf PET-Scan-Aufnahmen der letzten sechs Jahre dokumentierten eine anhaltende Verbesserung seines Blutflusses zum Herzen. Heute steht er jeden Morgen um sechs Uhr auf, macht vor dem Frühstück Liegestützen, Yogaübungen und meditiert. Er und seine Frau absolvieren jeden Tag einen zügigen halbstündigen Spaziergang und wandern einmal in der Woche mehr als vier Stunden lang. Hebenstreit stellt fest: "Mein Lebensabend verläuft nun sehr zufrieden stellend."

Wir unterstützen Sie!

Der Deutsche Wellness Verband e. V. unterstützt mit seiner Fachgruppe "Herzgesund leben" Menschen, die das von Prof. Dr. Ornish entwickelte Lebensstil-Programm anwenden bzw. die lernen möchten, es richtig anzuwenden.

Herzpatienten, die erkannt haben, dass sich ihre Lebenssituation durch Übernahme von kluger Eigenverantwortung wesentlich mehr als nur durch die Einnahme von Medikamenten verbessern kann, erhalten im Deutschen Wellness Verband praktische Hilfen und Kontakt zu Menschen, die in der gleichen Situation sind und von deren Erfahrungen sie profitieren können.

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