Die Definition von Wellness: Das Modell des Deutschen Wellness Verbands

Für die meisten Menschen im deutschsprachigen Raum ist Wellness ein Ausdruck für entspanntes Wohlfühlen. Man denkt dabei an Wohlfühlmassagen, den Besuch einer Sauna, den Tag in einer Therme oder das lange Wochenende in einem Wellnesshotel, wo man eben in die Sauna geht, im Pool relaxt, eine Lomi-Massage bucht und sich vielleicht auch den Teint auffrischen lässt. Zugegeben: Eine gute Massage hat wohl noch nie jemandem geschadet. Und ein entspanntes Wochenende in einem schönen Hotel oder einer Therme auch nicht. Dass man solche Erlebnisse aber als Inbegriff von Wellness versteht, zeugt von einem fundamentalen Missverständnis und verpassten Chancen.

Das bedeutet der Begriff Wellness wirklich

Wellness wurde bereits im 17. Jahrhundert in der englischen Literatur begrifflich verwendet (siehe Oxford English Dictionary) und meinte in etwa „gute Gesundheit". Falsch ist hingegen die weithin verbreitete Definition, Wellness sei ein Kunstwort, zusammengesetzt aus „Well-being" und „Fit-ness". Und auch andere Behauptungen wie zum Beispiel, Wellness hätte seine Wurzeln in der Bäderkultur des alten Roms, sind reine Erfindungen, die vermutlich dazu dienen, die heutige Kommerzialisierung von Wellness in bestimmten Märkten durch historische Bezüge aufzuwerten oder zu rechtfertigen.

Es dauerte allerdings mindestens 300 Jahre, bis Wellness zum Schlagwort einer Gesundheitsbewegung in den USA und damit zu einem immer häufiger gebrauchten, populären Begriff wurde. Seine Karriere verdankt es einem renommierten amerikanischen Sozialmediziner: Dr. Halbert L. Dunn. In Vorträgen und Veröffentlichungen, unter anderem „High Level Wellness“ (1961) beschrieb er seine Vorstellung von einem Konzept, wie Menschen ihr Lebenspotenzial maximal ausschöpfen könnten - als Resultat eigener Anstrengung, aber auch begünstigender äußerer Umstände:

[High-level wellness] is defined as an integrated method of functioning which is oriented toward maximizing the potential of which the individual is capable, within the environment where he is functioning.

Aus den grundlegenden Gedanken entwickelten in den Folgejahren Wissenschaftler und Gesundheitsexperten Modelle und entsprechende Anwendungen in Form von Programmen, Dienstleistungen und Ausbildungen, die in Wellness-Einrichtungen, an Schulen und Hochschulen bis heute zur Anwendung gelangen. Als wichtigste konzeptionelle Gestalter der zweiten Generation gelten Dr. Donald B. Ardell, Dr. John W. Travis, Dr. Robert F. Allen, sowie Dr. Bill Hettler.

Was alle echten Wellnesskonzepte und -angebote vereint:

  • Wellness ist im Kern eine Mentalität (Mindset) und ein entsprechender Lebensstil, und für beides tragen wir Eigenverantwortung.
  • Wellness wird nicht nur auf die einzelne Person begrenzt. Wir stehen in Beziehung zu unserer Umwelt, die auf uns wirkt, und auf die wir einwirken.
  • Wellness ist kein Zustand, sondern ein lebenslanger Prozess mit dem Ziel, ein gesundes, erfolgreiches und sinnvolles Leben zu haben.

Das Wellnessmodell des Deutschen Wellness Verbands

Um das echte Wellnesskonzept zu verdeutlichen, hat der Deutsche Wellness Verband auf Basis der anerkannten konzeptionellen Wurzeln des modernen Wellnessbegriffs ein Modell entwickelt.

 

 

Wellnessmodell Lutz Hertel

 


Das Wellness-Mindset

Zentraler Ausgangspunkt für Wellness ist das Mindset. Damit ist die grundlegende Mentalität eines Menschen – seine zentralen Denkmuster und Einstellungen  – gemeint. Wellness beginnt im Kopf. Die wesentlichen Merkmale einer Wellness-Mentalität sind:

  • Verantwortung: Ich bin für mein Leben selbst verantwortlich und trage zugleich Mitverantwortung für das vielfältige Leben auf diesem Planeten.
  • Entwicklung: Ich kann mir Fähigkeiten aneignen, um alle meine Potenziale so weit wie möglich auszuschöpfen, über alle Phasen meines Lebens hinweg.
  • Vernunft: Ich lasse mich vorrangig von Verstand, Vernunft und Wissenschaft leiten.
  • Freiheit: Ich erkenne meine Einzigartigkeit und nutze meine Freiheit, um mein Leben dementsprechend nach meinen persönlichen Bedürfnissen und Vorlieben zum Besten zu gestalten.
  • Werte: Ich verkörpere ethische Werte wie Anstand, Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Fairness, Respekt, Toleranz, Unvoreingenommenheit, Integrität.
  • Sinn: Ich leiste einen Beitrag zum Wohl der Welt und verfolge ein produktives, sinnerfülltes und zufriedenes Leben.

Der Wellness-Lebensstil

In Einklang mit dieser Mentalität ergeben sich Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die den Alltag eines Menschen prägen. Sie formen den Wellness-Lebensstil. Der Deutsche Wellness Verband unterteilt den Lebensstil in fünf Aktivitätsbereiche: Mentale, emotionale, vitale, soziale und ökologische Aktivitäten. Im Folgenden sind die Bereiche etwas detaillierter ausgeführt:

Mentale Aktivitäten

  • Vernunftgeleitetes, reflektiertes Denken, Planen, Entscheiden, Problemlösen.
  • Verständnis von und Orientierung an Wissenschaft.
  • Vermeidung von Selbsttäuschung aufgrund von kognitiven Verzerrungen und Denkfehlern.
  • Entwicklung realistischer, internaler Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen.
  • Training der Fähigkeiten zur bewussten Selbst- und Gefühlsregulation.

Emotionale Aktivitäten

Dabei geht es um die Kultivierung und das ausgiebige Erleben von positiven Grundstimmungen und Gefühlen, insbesondere:

  • Lebensfreude, Glück, Genuss, Sinnlichkeit, Begeisterung, Fröhlichkeit, Humor, Spaß, Optimismus, Vertrauen, Dankbarkeit, Mitgefühl, Verzeihen, Solidarität, Geborgenheit, Liebe, Lust, Sinnempfinden, Gelassenheit.

Vitale Aktivitäten

Alle Aktivitäten zur Wiederherstellung, zum Erhalt und zur Verbesserung seiner körperlichen Systeme und Funktionen.

  • Tägliche körperliche Bewegung: Training von Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Koordination.
  • Optimale Ernährung: bedarfsgerecht, möglichst pflanzlich, möglichst natürlich, gut verträglich.
  • Gesunde Stress-Balance: Vermeidung von anhaltender Über- und Unterforderung, Strategien und Methoden zur Bewältigung von ungünstigem Stress, Entwicklung von Kohärenzsinn und Resilienz, Persönlichkeitsentwicklung.
  • Effektive Regeneration: Optimierung des Schlafs, Erlernen und Anwenden von Entspannungstechniken, Kultivierung von Regenerationspausen und -aktivitäten.
  • Informierte Gesundheitskompetenz: Evidenzbasiertes Wissen über Wiederherstellung, Erhalt und Förderung der Gesundheit.

Soziale Aktivitäten

  • Aufbau und Aufrechterhaltung positiver Beziehungen und Bindungen in Partnerschaft, Familie, Freundschaften, Gemeinschaften, Nachbarschaft, Beziehungen im beruflichen Umfeld und bei anderen Formen des Engagements.
  • Entwicklung und Anwendung sozialer und kommunikativer Kompetenzen.

Ökologische Aktivitäten

  • Entscheidungen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die einen engagierten Beitrag zum Schutz und zum Vorteil von Natur, Umwelt, Klima, Tieren und Artenvielfalt leisten.

Das Wellness-Umfeld

In welcher Weise und in welchem Umfang ein Wellness-Mindset und ein Wellness-Lebensstil gelingen, hängt maßgeblich vom Umfeld ab. Es unterstützt, ignoriert oder behindert Menschen auf ihrem Weg zu High Level Wellness. Die Gestaltung eines günstigen Umfelds ist essenziell für die Förderung von Wellness. Umgekehrt wirken Mindset und Lifestyle eines Menschen auf sein Umfeld zurück. Wellness verwirklicht sich in ständigem Austausch und Wechselspiel zwischen Mensch und Umfeld. Es ist vollkommen unzureichend, das Wellness-Umfeld auf die sogenannten Wellnessanbieter zu beschränken: Sport- und Fitnesseinrichtungen, gewerbliche Massagepraxen, Kosmetikstudios, Day Spas, Wellnessanlagen, Thermen, Freizeitbäder, Saunaanlagen, Wellnesshotels und Hotelbetriebe mit Spa. Sie gehören dazu, sind aber im Vergleich mit anderen Bereichen des Lebensumfelds von eher nachrangiger Bedeutung. Die größte Relevanz hat derzeit die natürliche Umwelt, die zunehmend nicht nur durch politische und wirtschaftliche Mächte bedroht und zerstört wird, sondern genauso durch den Mindset und Lebensstil der einzelnen Menschen auf unserem Planeten. Große Bedeutung kommt auch dem Einfluss des sozialen Umfelds zu, in dem wir leben und arbeiten. Viele Studien bestätigen die Macht der sozialen Beziehungen und Netze, zum Wohl wie zum Schaden des Einzelnen. Obwohl Wellness im deutschsprachigen Raum vor allem als wohltuende "Ich-Zeit" verstanden wird, ist die Verbundenheit mit der Gemeinschaft im kleineren wie im größeren Zusammenhang ein mindestens genauso bedeutsamer Wellness-Faktor: "The currency of wellness is connection." (John W. Travis)

Wellness unterstützende Rahmenbedingungen, Strukturen und Lebensräume

  • Natürliche Umwelt, Staaten und Staatengemeinschaften, Politik, Gesellschaft, Bildung, Kultur, Medien, Wirtschaft.
  • Lebensräume: Wohnort, Arbeitsplatz, Orte für Freizeitaktivitäten.
  • Öffentliche und privatwirtschaftliche Infrastruktur und Angebote.
  • Soziales Umfeld und soziale Netzwerke, Peergroups, Werte- und Interessengemeinschaften, unterstützende Gruppen.

Das Modell des Deutschen Wellness Verbands erlaubt die Einordnung von Wellnessangeboten und verdeutlicht die zahlreichen Potenziale, die noch ungenutzt sind. Mit Hilfe dieses Modells lässt sich nicht nur Wellness richtig verstehen, sondern auch zielführend und kompetent umsetzen: Zum eigenen Wohl, als auch zum Wohl anderer.

 




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