Wellness-Beiträge



Wellness: Jobmarkt der Zukunft?

von Lutz Hertel
Der Wellness-Markt in Deutschland erfreut sich beständigen Wachstums. Zumindest die privaten Konsumausgaben für das gesundheitliche Wohlbefinden sollen in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen sein. Da liegt es nahe, diese Boom-Branche auch beruflich auszuloten.

Wie ein Trend entsteht

Der Aufstieg der Wellness-Berufe begann bereits 1997. Nachdem immer mehr Sport- und Kurhotels auf die Wellness-Schiene umstiegen, entwickelte der Deutsche Wellness Verband, seit mehr als 10 Jahren die führende Wellness-Institution in Deutschland, ein Anforderungsprofil für diese neue Hotelkategorie. Darin forderte der Verband auch mindestens eine qualifizierte Fachkraft für die Betreuung der neuen Wellness-Klientel: den “Wellness-Trainer”. Denn: Ein Wellness-Hotel ohne Wellness-Spezialisten ist wie ein Kosmetik-Institut ohne Kosmetikerin oder ein Fitness-Studio ohne Fitness-Trainer.
Da es für diese neue Aufgabenstellung noch keine Kompetenzen in den Hotels gab, organisierte der Deutsche Wellness Verband als erste Notlösung Wochen-Crashkurse für die von den Hotelchefs auserkorenen “Wellness-Trainer”. Das sprach sich schnell herum, auch in den Medien. Selbst die Bild-Zeitung brachte das neue Berufsbild mit der Schlagzeile “Wellness-Trainer: Bei ihm fühlt sich jeder wohl” groß heraus. In kurzer Zeit entwickelten sich neue Wortschöpfungen und leisteten einer Arbeitsplatz- und Verdienst-Euphorie ungezügelten Vorschub: Wellness-Begleiter, Wellness-Berater, Wellness-Coach, usw.

Medien machen Märkte

Dann kam das Nachrichtenmagazin FOCUS und beauftragte den Deutschen Wellness Verband und ein anerkanntes Marktforschungsinstitut mit der Analyse des Wellness-Booms. Der Verband lieferte die Marktstrukturen und die –segmentierung, das Institut die statistischen Zahlen. Die Ende 1999 veröffentlichte Studie muss bis heute als Orakel neuer Wachstums- und Beschäftigungs-Träume herhalten. Von 610.000 Arbeitsstellen im Jahre 1999 soll laut Prognose die Zahl der Beschäftigten im Wellness-Markt bis zum Jahr 2004 auf 750.000 anwachsen, also geschätzte 140.000 neue Stellen. Keiner interessierte sich mehr für die genaue Berechnung dieser Zahlen. In die Statistik gingen aber zum Beispiel neben konventionellen Krankengymnasten und Bademeistern auch Fahrradmonteure und Spezialklempner ein. Wie groß der Arbeitsmarkt für Wellness wirklich ist, weiß bislang eigentlich keiner. Denn außer Prognosen und unklaren Statistiken gibt es nichts. Selbst eine vom Bundesbildungsministerium geförderte Studie beruft sich ungeprüft auf diese wackelige Marktprognose und frohlockt: “Konkret bedeutet dies, dass hier mit hoher Wahrscheinlichkeit neben einem beachtlichen Potenzial an Arbeitsplätzen ein immenser Qualifikationsbedarf entstehen wird.” Immer wieder schließt man – nicht nur in dieser Branche - aus dem Wachstum der Konsumausgaben auf eine damit verbundene Steigerung der Beschäftigung. Das ist jedoch äußerst zweifelhaft. Nur eins ist sicher: Immer mehr Frauen sind erwerbstätig. Und für die sind Wellness-Berufe wie auf den Leib geschneidert.

Was ist ein Wellness-Beruf?

Bei so viel Missverständnis sollte erst einmal geklärt werden, was überhaupt ein Wellness-Beruf ist. Martin Massow, seit 20 Jahren als Fachbuchautor erfolgreich, hat 2001 den “Atlas Gesundheits- und Wellnessberufe” veröffentlicht. Darin stellt er über 180 Berufe vor, aus Medizin und Ernährung, Fitness und Freizeit, sowie Schönheit und Pflege. Allesamt “neue Chancen in der Zukunftsbranche”, so der Autor. Glaubt man ihm, so bieten Gesundheits-Dienstleistungen Jobchancen im Millionenbereich, bis 2010 sollen es 5 Millionen Stellen sein. Neben den klassischen Berufsfeldern der Medizin, Krankenpflege und Ernährung sieht er neue, viel interessantere, die dem Trend des seelisch-körperlichen Wohlbefindens (= Wellness)  Rechnung tragen. Dazu gehören laut Massow selbst Persönlichkeits- und Managementtraining sowie New-Age- und Esoterik-Tätigkeiten.

Man kommt nicht umhin, den Terminus “Wellness” zu erläutern. Hierbei geht es um ganzheitliches Wohlbefinden: körperlich, seelisch, geistig, sozial. Auch eine intakte ökologische Umwelt und eine innere Einstellung, dass man für die Herstellung dieses vielseitigen Wohlbefindens selbst Sorge zu tragen hat, gehören zum Wellness-Verständnis. Hierfür bedarf es, das stellt auch Massow heraus, eines erheblich größeren Aufwandes an Maßnahmen und Anstrengungen als im traditionellen Medizinverständnis. Gerade dieses neue Verständnis aber wird zum Beschäftigungsmotor, die Wellness-Branche damit als “zweiter Gesundheitsmarkt” zur Job-Maschine. Denn: Ganzheitlichkeit, Umwelt, Naturkost, Psychologie, Esoterik, alternative Heilmethoden (Naturheilkunde, Ayurveda, Chinesische Medizin), Naturkosmetik, Funsport, Cardiofitness und Wellness-Urlaub liegen voll auf der Wellenlänge der Konsumenten. Die Wellness-Branche verfügt über eine grenzenlose Methodenvielfalt und ist im Gegensatz zum klassischen Gesundheitswesen extrem flexibel und Consumer-orientiert.

Wellness-Jobs im neuen Gesundheitsmarkt

Arbeitsmöglichkeiten, die neben dem traditionellen Gesundheitssystem im zweiten, ganzheitlich orientierten Gesundheitsmarkt entstehen:

    * Wellness-Medizin / Medical Wellness
    * Wellness-Behandlungsverfahren (körperlich, psychisch, mental)
    * Naturheilverfahren
    * Traditionelle und alternative Gesundheits-Verfahren
    * Wellness-Tourismus
    * Wellness-Kosmetik
    * Lifestyle- und Gesundheits-Beratung
    * Spirituelle Beratung und Verfahren
    * Wellness-Training
    * Natur- und Vollwert-Ernährung, Vitaminbars
    * Öko-Wellness
    * Gesundheitsorientiertes Coaching und Consulting für Unternehmen
    * Wellness-Betriebs- und Anlagenmanagement
    * Wellness-Einrichtungen und -Architektur
    * Wellness-Journalismus


Massow versteht Wellness als eine ideelle Ausrichtung verschiedener neuer, aber auch alter Berufsfelder, die zum Teil völlig unterschiedliche Inhalte haben und dennoch eine gemeinsame Anschauung von Gesundheit verwirklichen. Ob Yogalehrer, Kosmetikerin, Mentaltrainer oder Naturkost-Verkäufer: Mit der richtigen Einstellung zum Beruf und zum Kunden sind sie alle well.

Das kann man so, aber durchaus auch anders sehen. Zumindest die Presse hat da meistens andere Ansichten und Vorstellungen, was zur Meinungsbildung bei Arbeitgebern und Wellness-Konsumenten entscheidend beigetragen hat. Hier sieht man den Wellness-Experten vornehmlich als “Mädchen für alles” und “universellen Wohlfühl-Bescherer” im Verwöhn-Hotel, im luxuriösen Day Spa, im Fitness-Club, der neben chicen Trainingsgeräten auch eine Relax- und Saunalandschaft bietet sowie als selbständigen Personaltrainer, der seine betuchte Klientel verständnisvoll ganzheitlich tröstet und fit hält. Überhaupt hat man den Eindruck, in der Obhut qualifizierter  Wellness-Spender soll der Kunde nicht mehr viel tun müssen – der Wellness-Trainer ölt und cremt, er – oder besser gesagt sie - sorgt für stressfreies Ambiente, vorgewärmte Bademäntel und den Saunaaufguss. So jedenfalls sieht die Berufspraxis vieler “Wellness-Experten” inzwischen tatsächlich aus.

Qualifikation: Ja, aber ...

Die schon zitierte, vom Bundesbildungsministerium geförderte Untersuchung “Trendqualifikationen als Basis zur Früherkennung von Qualifikationsentwicklungen” stellt jedenfalls fest, dass der Bedarf an entsprechenden Dienstleistungen stark zunimmt und sich ein Arbeitsmarkt von erheblicher Dimension herausbildet, der “bislang hinsichtlich der benötigten Qualifikationsprofile noch nahezu unerschlossen ist”. Manuela Schulla, die eine “wissenschaftlich abgesicherte Fortbildung für Wellness-orientierte Berufe” absolviert hat, arbeitet jetzt mit ihrem Zertifikat als Bereichsleiterin in einer Thermenlandschaft. Hier organisiert sie den Einkauf von Massageölen und Schlammpackungen und kümmert sich um die Dekoration. Saunaaufgüsse und Handpeelings gehören natürlich auch zum Job. Davon hat sie allerdings in ihrer “Wellness-Qualifikation” bei einem  Frankfurter Wellness-Institut nichts gelernt. Neun Module an neun Wochenenden, Fernunterricht, Hausarbeit. Viel Theorie, kaum Praxis. Bevor sie in der Therme ihren Job antrat, hatte sie noch keinen einzigen Saunaaufguss gemacht. Damit hat der Fortbildungsanbieter dann aber nichts mehr am Hut. Er hat sein Geschäft gemacht.

Abzocker haben leichtes Geschäft

Der Deutsche Wellness Verband kann ein Lied davon singen. Täglich melden sich enttäuschte, verärgerte und verunsicherte Menschen, die eine Fortbildung beginnen wollen, schon drin stecken oder hinterher nicht weiter wissen. Einige Institute versprechen viel und halten wenig. Gerade unter ihnen gehören einige zu den Trittbrettfahrern und unredlichen Abzockern im Wellness-Business. Manche locken sogar mit staatlicher Anerkennung und suggerieren den Interessenten und Absolventen damit Sicherheit hinsichtlich der späteren Anerkennung ihrer Abschlusses. Eine Sicherheit, die sich bei genauer Überprüfung als reine Täuschung erweist. Auffallend viele Klagen und  Beschwerden erreichen den Deutschen Wellness Verband immer wieder zu einem ganz bestimmten Anbieter. Hier würden laut Aussagen der Beschwerdeführer - möglicher Weise mit betrügerischer Absicht - leere Versprechungen gegeben. Dabei würde unter anderem auch mit freien Stellen gelockt, für die zunächst aber Fortbildungen bei einer Akademie zu absolvieren seien. Später stelle sich dann heraus, dass es die Stellen gar nicht gibt - nicht einmal die Einrichtungen, in denen die Stellen zu besetzen seien. Diese Angebote finden sich sogar auf den Internetseiten der Arbeitsagenturen. Kontrollen hinsichtlich der Seriosität solcher Anbieter gibt es dort offenbar nicht. Anfragen bei der Verbraucherzentrale gehen ins Leere. Die fürchten rechtliche Auseinandersetzungen und halten sich lieber raus.

Darauf sollten Sie bei einem Fortbildungsanbieter im Wellness-Bereich achten!

    * Es wird nicht vielversprechend mit Arbeitsplätzen oder Stellenchancen gelockt.
    * Man verlangt vorab plausible Grundqualifikationen von Ihnen und prüft diese auch ab.
    * Das Institut beschäftigt nur pädagogisch geschulte Dozenten, die für ihr Fachgebiet nachweislich ausgebildet und anerkannt sind.
    * Die angekündigten Dozenten gestalten selbst den Unterricht (keine Ausfälle oder Vertretungen!)
    * Die Fort- und Weiterbildung hat einen hohen Praxisanteil, mindestens 50% der Unterrichtsstunden.
    * Sie erwerben Ihr Wissen und Können nicht im Rahmen eines Fernstudiums zu Hause am Schreibtisch, sondern im unmittelbaren Kontakt mit Dozenten.
    * Ihre Anwesenheit wird überprüft. Sie müssen mindestens 80% präsent sein.
    * Sie werden abschließend theoretisch und praktisch nach einer offen zugänglichen Prüfungsordnung geprüft und benotet.


Fakt ist: Bislang existieren für das Aus- und Weiterbildungsangebot im neuen Wellness-Markt keine ausreichenden staatlichen Aufsichts- und Kontrollmechanismen. Unglaublich, geht es doch gerade hier um das sensible Gut der Gesundheit. Es gibt nicht einmal eine verbindliche Zulassungsordnung, die ein Mindestmaß an fachlichen Grundkenntnissen und eine für diese Berufe erforderliche menschliche Eignung sicherstellt. Im Gegenteil: Gerade so genannten beruflichen Quereinsteigern werden von der Presse und den Aus- und Fortbildungsinstituten besonders Hoffnungen auf ein tolles Berufsbild, Arbeitsplatzchancen und interessante Verdienstmöglichkeiten gemacht.


Weitere Informationen:

Kommission Wellnessberufe beim Deutschen Wellness Verband

Aufnahmebedingungen des Deutschen Wellness Verbandes für Bildungsanbieter

Martin Massow: Atlas Gesundheits- und Wellnessberufe (2001), erschienen im Econ Verlag (10,00 EUR)  ... mehr Infos/Bestellen
Lothar Abicht (und weitere Autoren): Gesundheit, Wohlbefinden, Wellness. Personenbezogene Dienstleistungen im Fokus der Qualifikationsentwicklung (2001), erschienen im Bertelsmann Verlag

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