Wellness-Beiträge



Wohin geht die Wellnessreise?

von Hilgedard Dorn-Petersen und Lutz Hertel
15,9 Prozent der Bundesbürger planen in den nächsten drei Jahren eine Wellnessreise, so die Experten der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R). Sie gehen von einer Konsolidierung des Marktes aus – vorbei die Zeiten sprunghafter Wachstumszahlen.

Noch skeptischer äußert sich der »WellnessSensor« der Agentur Mediaedge:cia. In der regelmäßig erhobenen Umfrage scheint sich in diesem Jahr ein Knick im Wellnessboom abzuzeichnen. Im Vergleich zum »WellnessSensor« 2003 äußerten die Befragten deutlich kritischere Töne, die neugierige Haltung gegenüber Wellness ist zurückgegangen. Zahlreiche Dienstleistungen und Produkte werden seltener verwendet. Dennoch setzen immer neue Anbieter auf diesen Markt. Die Wellnesslandschaft in Europa, vor allem in den osteuropäischen Ländern, verzeichnet starken Zuwachs. Der Wettbewerb unter den Low-Cost-Carriern, in dem sogar die Lufthansa nachziehen mußte, sorgt für zusätzliche Mobilität zu absoluten »Wohlfühlpreisen«.

Österreichs Wellnessmarkt scheint gesättigt

Und doch ist Vorsicht geboten: Die Österreicher rieben sich verdutzt die Augen, als das Institut für Freizeitwirtschaft anläßlich der Internationalen Tourismusbörse bezogen auf das Jahr 2005 eine rückläufige Nachfrage an Wellnessgästen aus Deutschland konstatierte. Dabei kann der alpenländische Nachbar weltweit mit der höchsten Dichte von Wellnessanbietern aufwarten. Allein in den Jahren 2004/2005 haben 80 neue Hotels in diesem Segment eröffnet. Die Gesamtzahl von Wellness- und Kurhotels wird derzeit mit rund 750 beziffert. Damit hat der Markt in Österreich seinen Zenit erreicht. Und bei so manchem Hotelier zeigen sich erste Sorgenfalten. Einige hat das ständige »Wettrüsten« um immer größere Wellnesstempel in eine regelrechte Schuldenfalle gelockt.

Während man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß Italien – abgesehen von einzelnen Regionen oder Vorzeigeprojekten – den Wellnesstrend verschläft, konnten die Südtiroler 2005 nach Recherchen des Instituts für Freizeitwirtschaft einen beachtlichen Marktanteil von zehn Prozent ergattern.

Polen baut seine Wellnessinfrastruktur massiv aus

Einen Blitzstart in Sachen Spa und Wellness hat in den vergangenen zwei Jahren Polen hingelegt. Mit EU-Mitteln sind hier zahlreiche neue Zentren für den Wohlfühl- und Gesundheitsurlaub entstanden, in denen mit viel Leistung für wenig Geld nicht nur polnische Gäste überzeugt werden. Die Deutschen (die in manchen Wellnesshotels bereits mehr als 60 Prozent des Gästeaufkommens ausmachen) reisen immer häufiger per Billigflieger an und erhalten kostenlosen Transfer zu den Hotels. Auch die Kurorte, inzwischen vielfach in den Händen privater Investoren, befinden sich in einem rasanten Modernisierungsprozeß. Man rechnet für die Zukunft pro Jahr mit mindestens 40 bis 50 neuen Anbietern im Spa- und Wellnessmarkt.

Auf der Gewinnerseite befinden sich ebenfalls kleinere Länder in der Nachbarschaft wie zum Beispiel die Slowakei. Aufgrund der zunehmenden professionellen Vermarktung und nicht zuletzt durch ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis konnte dort 2005 eine gestiegene Nachfrage aus Deutschland (12%) verzeichnet werden, ebenso wie in Tschechien (8%). Auch die slowenische Regierung hat die wirtschaftliche Bedeutung des Wellnesstourismus erkannt und unterstützt konsequent den Ausbau der Infrastruktur.

Die Schweiz bleibt trotz hoher Preise beliebt

Zugelegt hat erstaunlicherweise die Schweiz, deren Angebote weitestgehend im Hochpreis-Segment anzusiedeln sind. Sie konnte mit einem Plus von drei Prozent gegenüber 2002 und einem Marktanteil deutscher Gäste von elf Prozent punkten – und dies, obwohl der Wellnesskatalog der Schweiz den Charme eines Kursbuches hat. Die positive Entwicklung kann man ganz klar als Signal dafür sehen, daß Service und Dienstleistungsqualität die entscheidenden Erfolgsfaktoren sind. Dafür ist König Kunde auch bereit zu bezahlen. Die Schweiz toppt dies und setzt noch einen neuen Luxuskatalog obendrauf.

Zu den traditionellen Anbietern zählt Ungarn. Aus rund 1200 Thermalquellen sprudelt Gesundheit bringendes Naß und zieht Besucher aus der ganzen Welt an. Budapest mit seinen Bädern kann sich wie keine andere Stadt in Europa mit »Wellness in the City« profilieren und profitiert ebenfalls von den günstigen Flugverbindungen.

Europas größtes Hotel-Spa liegt nahe London

In der Aufholjagd um den Wellnessgast von morgen tauchen nun auch die Briten und Iren auf. Mit dem »SPA at Pennyhill Park« wurde 2004 auf 9000 Quadratmetern nicht nur Europas größtes Hotel-Spa eröffnet, sondern eine Anlage von absolutem Top-Niveau. Dies gilt auch für viele andere Hotel-Spas in England und Irland, die im Fünf-Sterne-Segment angesiedelt sind. Doch nicht nur Verwöhnen und Luxus pur sind angesagt, sondern auch absolute Professionalität und überzeugende Konzepte. Das rasche Wachstum im Markt hat die British Spa Association bewogen, verstärkte Qualitätssicherung zu betreiben: In einem Pilotprojekt werden 2005/2006 mit jeweils zehn Anbietern aus vier Segmenten im Praxisversuch entsprechende Kriterien erarbeitet.

Sonnengarantie lockt auch Wohlfühlurlauber. So setzt man im Mittelmeer ebenfalls auf die Wellnesskarte: Die Maritim-Gruppe hat – um nur ein Beispiel zu nennen – 2004 ein großes Hotel-Spa auf Djerba eröffnet. In Tunesien nutzt man die natürlichen Ressourcen aus dem Meer und konzentriert sich auf die Thalassotherapie. Auf Zypern konnte man sich im vergangenen Jahr noch über einen Marktanteil von neun Prozent deutscher Wellnessurlauber freuen, 2006 fiel die positive Entwicklung der Vogelgrippe zum Opfer. Dies gilt auch für die Türkei. Sie ist nach Einschätzung von Branchenexperten dieses Jahr der Verlierer im Urlaubsgeschäft. Doch nicht nur tote Vögel, sondern auch extreme Bauaktivitäten allerorten haben dazu beigetragen – da nützten selbst die schönsten Wohlfühloasen nichts.

Erfolgsrezept Destinationsmarketing

Einige Wellnessanbieter in Europa sehen das Erfolgsrezept in gezieltem Destinationsmarketing, anstatt als Einzelkämpfer Budgets zu verschleudern. Was auf der Insel Usedom bereits 2003 begonnen wurde, macht zunehmend Schule. Unter dem Motto »Gemeinsam sind wir stark« initiierte vor gut zwei Jahren das Tourismuspatronat Gran Canarias die Public Private Partnership »Gran Canaria Spa & Wellness«, die inzwischen 14 Mitglieder zählt und sich größtenteils aus Töpfen der Europäischen Union finanziert. Doch ein klares Konzept, welche Gesundheitsbehandlungen den Gast speziell nach Gran Canaria locken sollen, gibt es bislang nicht.

Auch auf der Blumeninsel Madeira hat sich eine Kooperation von 16 Spitzenhotels gebildet. Unter dem Leitthema »body.mind.madeira.« vermarktet man das Wellnessangebot der Hotel-Spas. Um ein Kompetenzprofil zu erarbeiten und Mitarbeiter zu schulen, zog man Experten des Deutschen Wellness Verbandes (DWV) zu Rate.

Gutes Marketing ersetzt nicht die Produktqualität

Wichtigster Grund für die trotz emsigen Marketings vielerorts anzutreffende Konzeptlosigkeit ist das Fehlen einheitlicher Qualitätsstandards, um die sich der Deutsche Wellness Verband hartnäckig bemüht. In Deutschland wurden seine Richtlinien im Laufe der vergangenen zehn Jahre bereits vielfach übernommen und gelten als Grundlage von Marketingkooperationen und Klassifizierungen.

Aber auch im Ausland vertraut man auf die Kompetenz des Verbandes und seiner Experten. In Polen führt der Deutsche Wellness Verband zur Zeit seine Qualitätsstandards für Wellness und Medical Wellness ein. Die ersten Betriebszertifizierungen sind hier bereits abgeschlossen. In Slowenien beteiligen sich Verbandsexperten an der Entwicklung nationaler Qualitätsstandards für die Hotellerie. Auch Rußland wurde in diesem Jahr beraten. Auf Madeira unterstützt der Deutsche Wellness Verband schon seit längerem die Qualitätssicherung, die Zusammenarbeit mit der von Tourismusexperten kürzlich scharf kritisierten Wellnesskooperation auf Gran Canaria ist in Vorbereitung.

Die europäischen Wellness- und Spa-Destinationen stehen immer mehr in einem internationalen Wettbewerb, da selbst fernere Ziele mit Billigfliegern teils schneller und günstiger zu erreichen sind als inländische Destinationen. Eine Prädikatisierung nach einheitlichem Qualitätsstandard durch unabhängige Experten würde nicht nur dem Kunden, sondern auch dem Hotelier helfen, in diesem bunten Angebot nicht völlig die Orientierung zu verlieren.

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