Wellness-Beiträge



Wellness auf der ITB 2007

In welche Richtung entwickelt sich in den kommenden Jahren der deutsche Wellness- und Gesundheitsmarkt?

(von Hildegard Dorn-Petersen)

Zahlen und Fakten gab es jede Menge auf der Internationalen Tourismus Börse ITB vom 7. bis 11. März 2007. Wer sich auf den Weg machte, sie zu interpretieren, der begab sich auf die Gratwanderung zwischen solider Recherche und Kaffeesatzlesen. Dies beginnt bereits bei den Zuwachsraten im Binnentourismus: Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) spricht von einem Inlands-Übernachtungsplus von 2,2 Prozent in der Hotellerie 2006, bestätigt allerdings gleichermaßen die hohen Zuwachsraten im Städtetourismus. De facto also ein Minus für den Rest der Republik. Doch die Vorstandsvorsitzende der DZT, Petra Hedorfer, blickt optimistisch in die Zukunft: "Deutschland wird das hohe Niveau der Übernachtungen aus 2006 auch 2007 halten können." Unter den zehn Leitlinien für den Deutschlandtourismus findet sich an siebter Stelle auch der Gesundheitstourismus, der vor allem national ausgebaut werden soll.

Optimismus bei den Zukunftsforschern

Gute Laune auch bei den Marktforschern: Die F.U.R Reiseanalyse spricht von Reiseabsichten der Bundesbürger auf hohem Niveau. Reisen ist nach Aussage der renommierten Trendforscher mehr als eine liebe Gewohnheit, sondern für 2007 und die Zukunft ein „Must“. Die Ergebnisse der Reiseanalyse RA 2007 lassen für dieses Jahr erneut eine stabile Urlaubsnachfrage auf hohem Niveau erwarten. Die Reiseabsichten der meisten potenziellen Wellnessgäste fallen dabei allerdings durch das Raster, denn das F.U.R. erfasst nur Reisen ab 5 Tagen Dauer. Der Wellness-Gast verweilt nach Erhebungen des Deutschen Wellness Verbandes jedoch im Durchschnitt nur 3,4 Nächte. Das Münchener Institut für Freizeitwirtschaft hatte auf dem "Forum Wellness" ebenfalls neue Zahlen parat. Präsentiert wurden erste Ergebnisse der neuen Studie "Der Gesundheitstourismus der Deutschen bis 2020: Zielgruppen, Trends, Marktchancen", die in Zusammenarbeit mit der Gruppe "Wellness Hotels Deutschland" (WHD) erarbeitet wird. Das IFF hatte bereits 2001 eine umfassende Studie zu "Marktchancen im Gesundheitstourismus" in Deutschland vorgelegt. Alexandra Graf berichtete von den Schwierigkeiten, die seinerzeit gewählte Segmentierung heute vergleichbar zu gestalten. War man 2001 von den Sparten Health Care, Anti Aging, Wellness und Beauty ausgegangen, macht diese klare Zuordnung heute Probleme – die Schnittstellen zu Medical Wellness und Gesundheitsurlaub ohne Kur müssen neu gefunden werden. Unbefriedigend allerdings die Entscheidung der Münchener Marktforscher, eine neue Rubrik "Medical Wellness" einzurichten für alle, die neben Wellness auch noch Health Care oder Anti Aging angekreuzt haben. Für diese Zielgruppe errechneten die Münchener Marktforscher ein Potenzial von 79 Prozent aller Befragten; 2002 waren es erst 60 Prozent. 40 Prozent gaben sich damals noch mit „passiver Wellness“, also reinen Wohlfühlprogrammen, zufrieden. Interessant übrigens die Aussage von Alexandra Graf, dass die Gasterwartung bei Medical Wellness nicht unbedingt mit der Präsenz eines Arztes verbunden wird.

Sinnsuche und Spiritualität

Weg vom Beautyurlaub wollen Gäste des Online-Veranstalters „beauty24“: Dies wusste Fricke auf der gemeinsam mit WHD organisierten Pressekonferenz zu berichten. Beide Partner traten wieder als Aussteller in Halle 16 auf, die sich bar jeder Wohlfühlatmosphäre präsentierte, weswegen vielleicht auch einige Aussteller des Vorjahres das Weite gesucht hatten.
Der Trend entwickelt sich weiter weg von reinen Beautyangeboten, die bereits 2005 nur noch 50 Prozent der Anwendungsbuchungen ausmachten. Die Kundenbefragung zeigt: Nur noch bei 24 Prozent aller Reisenden ist der Wunsch nach Schönheitspflege ein Impuls, Wellnessurlaub zu buchen. Die beiden Bereiche Gesundheitsvorsorge und Entspannung (89 % aller Befragten) sind dagegen klar im Vormarsch. Immer mehr Kunden interessieren sich für spirituelle Wellness-Angebote wie Yoga, Tai Chi oder Meditation. Vernimmt man aber die erstaunliche Zahl, dass 62 Prozent aller beauty24-Hotels „spirituelle Kurse“ anbieten, kommen erhebliche Zweifel bezüglich Verständnis von Spiritualität und Qualität auf.

Auf einem deutlich anderen Niveau bewegte sich das 30. ITB-Kirchenforum, zu der die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) geladen hatten. Denn immer mehr Menschen verbinden Reisen mit der Suche nach sinnstiftenden Angeboten und religiösen Anliegen. In einer Podiumsdiskussion der Extraklasse, an der auch der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Wellness Verbandes, Lutz Hertel, teilnahm, gingen Prof. Dr. Dr. Michael N. Ebertz (Katholische Fachhochschule, Freiburg) und  Prof. Dr. Hanjo Sauer (Universitäten Bamberg und Linz) der Frage auf den Grund, was „spiritueller Tourismus“ denn nun eigentlich sei und wie  qualitativ hochwertige Angebote von Surrogaten zu unterscheiden seien. Für den Wellness-Experten und Diplom-Psychologen Lutz Hertel, war schnell klar: „Hier steckt noch enormes Potenzial – ganz unabhängig von jeder Glaubensrichtung.“ Petra Ganz vom Bayerischen Pilgerbüro in München wies darauf hin, dass die Spiritualität bei ihren Reiseangeboten schon mit der Auswahl der Reiseleitung beginnen würde.

Berge und Meer hoch oben in der Gunst

Wohin es die Deutschen im Inland zieht, darauf hatten die Experten des F.U.R. eine klare Antwort: In die Berge oder ans Meer. Bayern behauptet trotz leichter Einbußen seinen ersten Platz. Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen folgen alle mit leichten Zuwächsen auf den Plätzen. Den Stand von Mecklenburg-Vorpommern, in Kooperation mit der Insel Usedom, hatte in diesem Jahr der Deutsche Wellness Verband als Domizil während der ITB gewählt. Und das nicht ohne Grund, denn man blickt gemeinsam auf eine erfolgreiche Re-Zertifizierung von 50 Wellness-Anbietern in 2006 zurück. Beim traditionellen Wellness-Afternoon-Tea für die Presse stand selbstverständlich auch das aktuelle Trend-Thema „Medical Wellness“ auf der Agenda. Dabei würde Lutz Hertel den Begriff am liebsten möglichst schnell eliminieren, da er ihn immer mehr für überflüssig und irreführend hält.

Mit Spannung erwartet wurde die Präsentation der Qualitätskriterien des Deutschen Medical Wellness Verbandes. Vorgestellt wurde mit dem Hotel Eggensberger das erste vom DMWV zertifizierte Medical-Wellness-Hotel. Inhaber Andreas Eggensberger, bereits seit 1998 Mitglied von Wellness Hotels Deutschland, durfte auf der Messe die Urkunde entgegen nehmen. Doch das erste zertifizierte Medical Wellness Hotel Deutschland ist das Haus nicht. Diese Lorbeeren durfte Dr. Matthias Menschel vom Menschel’s Vital Resort in Bad Sobernheim für sich verbuchen, der bereits im Herbst 2006 ein Zertifikat des Deutschen Wellness Verbandes erhielt. Für den Mediziner ist die Frage, ob es denn in einem Medical-Wellness-Haus einen Arzt geben muss, überflüssig weil selbstverständlich. In diesem einen Punkt sind sich übrigens auch die beiden Verbände einig.
Was die Kriterien angeht, will sich der DMWV offensichtlich noch nicht in die Karten schauen lassen. Grundlage sind ein Qualitätsmanagement nach ISO EN 9001:2000 und die Hotelkriterien der IHA im Vier- bis Fünf-Sterne-Standard. Ansonsten liegen die Kriterien, so Prof. Dr. Kai Illing, „ein wenig unter denen eines Wellnesshotels.“ Was dies genau heißt, konnte er allerdings nicht sagen. Überzeugt von seinem System der Auditierung zeigte sich Olaf Seiche vom TÜV Rheinland, weil es nicht nur Wirkungen bewerte, sondern auch die Fehlerursachen betrachte. Mystery Checks, wie sie als Goldstandard zur Qualitätsprüfung in der Hotellerie etabliert sind, lehnt der Ingenieur wenigstens nicht grundsätzlich ab.

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