Wellness-Beiträge



Warum Passiv-Rauchen schädlich ist – Argumente für die Politik

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die Deutsche Herzstiftung haben zu einem Entwurf der SPD-Fraktion für ein Hessisches Gesundheitsschutzgesetz Stellung genommen. Darin sind nochmals die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Fakten zusammengetragen, die dafür sprechen, Nichtraucher stärker als bisher vor Zigarettenqualm zu schützen. Inzwischen wurde dieses Papier zu einer allgemeinen Stellungnahme weiterverarbeitet.


Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz-
Kreislaufforschung e.V. und der Deutschen Herzstiftung e.V. zur schriftlichen Anhörung zu dem Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion für ein Hessisches Gesetz zum Schutz vor den Folgen des Passivrauchens sowie der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.(Gesundheitsschutzgesetz)- Drucksache 16/6304

Ausmaß der Schäden durch Aktiv-Rauchen

Es ist heute unbestritten, dass Rauchen einer der bedeutendsten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs ist. Rauchen vermindert die Lebenserwartung beträchtlich. Dennoch sind sich die meisten Menschen und auch speziell die Raucher nicht über das Ausmaß der lebensverkürzenden und krankheitsbegünstigenden Wirkung im
Klaren; neuere Beobachtungsstudien haben hier unsere Erkenntnisse in den letzten zwei Jahren erheblich erweitert: In der MONICA Studie/KORA-Studie (Augsburg) wurde die Infarktrate bei Rauchern im Vergleich zu Menschen, die noch nie geraucht hatten, erhoben.
Durch Nichtrauchen könnten bei Männern 60 Prozent, bei Frauen sogar 75 Prozent der Herzinfarkte verhindert werden.

Obwohl bereits seit längerem allgemein anerkannt ist, dass Rauchen die Lebenserwartung vermindert, war bisher die Dauer der verlorenen
Lebenszeit nicht genau bekannt. Die kürzlich publizierte Nachbeobachtung der "British doctors study" über 50 Jahre füllte hier eine wichtige Lücke. Beobachtet wurde eine Gruppe von britischen Ärzten, die zwischen 1920 und 1929 geboren waren. Die berufliche Homogenität ermöglichte einerseits eine zuverlässige Nachbeobachtung
über das britische Ärzteregister, andererseits eliminierte die sozial gleichmäßige Struktur der Gruppe die Problematik des Einflusses des sozialen Status auf die Lebenserwartung. Die Rauchgewohnheiten
ähnelten den heutigen mit im Mittel 18 Zigaretten pro Tag. Mit 60 Jahren hatten die beobachteten rauchenden Ärzte bereits ein dreifach höheres Todesrisiko im Vergleich zu den Nie-Rauchern und eine ähnliche Überlebensrate wie die 15 Jahre älteren Ärzte, die nie geraucht hatten. Somit hatte diese Gruppe bereits im Mittel 15 Lebensjahre oder ein Viertel der Lebenszeit verloren! Diese Größenordnung von Lebens und Produktivitätsverlust bis zum 60. Lebensjahr ist schockierend – und dies in einer Bevölkerungsgruppe, die optimalen Zugang zu medizinischer Versorgung hatte.
Es ist also keineswegs so, dass nur die letzten Jahre einer "normalen" Lebenserwartung durch das Rauchen "abgeschnitten" werden.
Ein erheblicher Teil der Lebenszeit geht früh in den "besten" Jahren verloren, verbunden mit einem erheblichen Produktivitätsverlust.
Um die Bedeutung des Rauchens für die Bevölkerung in Perspektive zu setzen, ist erwähnenswert, dass in Deutschland täglich 308 Todesfälle
durch das Rauchen verursacht werden, im Vergleich zu 21 Todesfällen durch Verkehrsunfälle.
Die negativen Folgen des Passivrauchens sind ebenfalls unstrittig und werden in der Problemdarstellung der Gesetzesvorlage sachgerecht wiedergegeben. 
Es ist allgemein bekannt, dass Raucher nicht nur ihre eigene Gesundheit in Gefahr bringen, sondern auch ihre Mitmenschen erheblich gefährden.
Passivrauchen führt jedes Jahr zu mehreren tausend Todesopfern. Dennoch war es im Rahmen der Deutschen Gesetzgebung bisher noch nicht möglich, ein umfassendes Gesetz zum Schutz der Nichtraucher, die immerhin mehr als 70 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, zu verabschieden. Die häufigste Todesursache aufgrund von Passivrauchen sind Herz und Gefäßerkrankungen wie etwa Herzinfarkte und Schlaganfälle, gefolgt von Lungenkrebs. Passivrauchen zählt wie aktives Rauchen zu den gefährlichsten Risikofaktoren für den plötzlichen Verschluss der Blutgefäße durch Blutgerinnsel, in dessen Folge der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt wird und massive Schäden davonträgt.
Trotz einfacher Möglichkeiten, diese eklatante Gefahr auszuschalten, werden Nichtraucher in Deutschland immer noch nicht ausreichend geschützt. Es ist nicht gerechtfertigt dass sich 70 Prozent der Bevölkerung einer Körperverletzung durch Passivrauchen aussetzen müssen, damit einige abhängige Raucher jederzeit ihre  Nikotinabhängigkeit befriedigen können! Natürlich ist es jeder volljährigen Person freigestellt, beliebig viel zu Rauchen, sofern sie damit nicht anderen Personen Schäden zufügt. Auf diese einschränkende Bedingung muss jedoch stärker als bisher geachtet werden.

Der Hessische Landtag kann hier beglückwünscht werden, dass er auch  hier – wie schon beim Verbot des Rauchens in den Schulen – eine Vorreiterstellung einnimmt. (...)
Die Einschränkung des Rauchens in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden einschließlich Gaststätten führt nach den Erfahrungen in Italien neben einer unmittelbaren Verminderung der Passiv-Rauchexposition auch zu einer Verminderung des gesamten Zigarettenkonsums, was sich auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt.
Das strikte Rauchverbot im Gastronomiebereich stellt einen der wichtigsten Punkte des Nichtraucherschutzes, für die nicht rauchenden Gäste aber besonders auch für die Angestellten in den Gaststätten dar. Die irische Gewerkschaft MANDATE, die Tausende von  Gastronomiemitarbeitern vertritt, hatte mehrfach öffentlich auf die Verpflichtung hingewiesen, die Gesundheit der Gastronomiemitarbeiter zu schützen. (...)
In Übereinstimmung mit ähnlichen Ergebnissen, die aus Kalifornien und New York berichtet wurden, fiel der Speichelgehalt von kotinine – einem Biomarker für die Rauchexposition – bei Angestellten in Irlands Pubs und Bars um 80 Prozent. Die Angestellten berichteten, dass sie deutlich weniger Atemwegsprobleme hatten und sich um 40 Prozent gesünder fühlten. Ähnliche Beobachtungen waren bereits sieben Jahre früher in Kalifornien/ USA gemacht worden. (...)
Weder in Irland noch in Norwegen, Schweden, New York, Kalifornien oder Südaustralien hat es nach Einführen einer rauchfreien Gastronomie einen Umsatzrückgang oder einen Abbau von Arbeitsplätzen in der Gastronomie gegeben. (...)
In der US-amerikanischen Stadt Pueblo/Colorado wurde nach Einführung eines solchen Rauchverbots innerhalb von 1½ Jahren eine Reduktion der Zahl akuter Herzinfarkte um 27 Prozent im Vergleich zu einer Kontrollstadt beobachtet. Eine enorme Verminderung in so kurzer Zeit, die wohl durch keine andere Maßnahme zu erzielen ist.
Auf Deutschland hochgerechnet wären dies etwa 78 000 Herzinfarkte pro Jahr weniger: Die hohen Behandlungskosten allein von Herzinfarkten
dürften zu einer Kostenersparnis in Milliardenhöhe für unser derzeit viel
diskutiertes Gesundheitssystem führen.

Schutz von Kindern und Jugendlichen.

Der kindliche Organismus spricht auf das Nikotin besonders stark an. Deswegen ist es für Kinder ganz besonders wichtig, im täglichen Leben zu erfahren, dass Rauchen im Erwachsenenalter nicht die Normalität ist. Gerade Kinder und Jugendliche stellen jedoch traditionell eine besonders wichtige Zielgruppe der Zigarettenwerbung dar. Kinder sind aufgrund ihrer begrenzten Lebenserfahrung der Werbung weitgehend schutzlos ausgesetzt.
Die Hälfte der Gewinne der Tabakindustrie resultiert aus Verkäufen an Personen, die bereits als Kinder nikotinabhängig geworden sind.
Je früher die Kinder mit dem Rauchen beginnen, umso langfristiger werden die Rauchgewohnheiten beibehalten und umso schwerer wiegend sind die Folgen. Unter diesen Gesichtspunkten ist bereits eine Verzögerung des Rauchbeginns im Schulalter um ein bis zwei Jahre für die Entstehung einer Nikotinabhängigkeit von großer Bedeutung.
Bereits das Ungeborene kann durch Passivrauchen der Mutter geschädigt werden. Tabakrauchbelastung während der Schwangerschaft führt zu einem erhöhten Risiko für Fehlbildungen, Fehl-, Tot- und Frühgeburten, vermindertes Längenwachstum des Fetus, kleineren Kopfumfang des Fetus, geringeres Geburtsgewicht.
Bei Kindern besteht ein Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Mittelohrentzündungen, einer beeinträchtigten Lungenfunktion, Asthma und plötzlichem Kindstod. (...) Das Gesetzesvorhaben wird aus der Sicht der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Deutschen Herzstiftung ohne Einschränkung unterstützt.

Prof. Dr. Helmut Gohlke
cardionews

Literatur unter www.dgk.org


 

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