Wellness-Beiträge



"fit für 100 - Bewegungsangebote für Hochaltrige"

"fit für 100 - Bewegungsangebote für Hochaltrige" ist ein Seniorensportprojekt, das speziell auf die Gruppe der Menschen des vierten Lebensalters (80+) ausgerichtet ist.

Das "bundesweit wegweisende Trainingsprogramm", so NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bei der Eröffnung des Forums "fit für 100" am 26. April in Köln, soll vor allem Menschen in ambulanter oder stationärer Betreuung helfen, ihre körperlichen Fähigkeiten und ihre Selbstständigkeit so weit wie möglich zu erhalten oder wiederzugewinnen. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden die Projektergebnisse und -erfahrungen nach einem Jahr Gruppentraining und insgesamt zweijähriger Projektlaufzeit vorgestellt und ein Praxisleitfaden "fit für 100" präsentiert.

Die Ergebnisse belegen umfassend die durch die Bewegungs- und Trainingsaktivitäten ausgelösten positiven körperlichen, geistigen und sozialen Effekte. Verbesserungen im Bereich von Kraft, Koordination und Beweglichkeit helfen bei der Bewältigung der Alltagsfunktionen und tragen wesentlich zur Sturzprävention bei. Neben der Steigerung von Lebensqualität und Lebensfreude bleibt die Eigenständigkeit länger erhalten, die Arbeit der Pflegekräfte wird erleichtert, der spätere Eintritt von Pflegebedürftigkeit hilft Kosten zu senken.

Im Rahmen des Forums hat sich unter Schirmherrschaft von Bundespräsident a.D. Dr. Richard v. Weizäcker ein hochkarätiger Beirat konstituiert:
Prof. Dr. Eckart Fiedler (Vorsitzender), ehem. Vorstandsvorsitzender BEK, Universität zu Köln
Pastor Günter Barenhoff (Stellv. Vorsitzender), Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Westfalen
MR Roland Borosch, Referatsleiter Pflegepolitik im MAGS-NRW, Düsseldorf
Hans-Peter Krämer, ehem. Vorstandsvorsitzender Kreissparkasse Köln, DOSB-Vizepräsident
Prof. Dr. Heinz Mechling, Projektleiter "ff100", Deutsche Sporthochschule Köln
Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Lehr, ehem. Bundesministerin, Universität Bonn
Dr. Uta Renn, Vorsitzende der Landesseniorenvertretung NRW
Hans-Jörg Rothen, Projektmanager "Demographischer Wandel" Bertelsmann-Stiftung
Dr. Annemarie Schraps, ehem. MdL NRW, Präsidiumsmitglied des LandesSportBundes NRW

Ausgehend vom Altersbild in der Gesellschaft und vor dem Hintergrund der aktuellen Projektergebnisse gab der Beirat am Freitag die folgende Erklärung ab.

Ausgangssituation 

Das Thema Langlebigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Als konsequente Folge der erhöhten Lebenserwartung stellt es eine der zentralen Herausforderungen bei der gesundheitlichen Vorsorge, sowie bei der Versorgung und Betreuung älterer Menschen dar. Diese Herausforderung betrifft alle Bereiche von Prävention, Rehabilitation und Pflege. Bei der individuellen und der gesellschaftlichen Gestaltung der Lebensbedingungen von Hochaltrigen müssen neue Wege beschritten werden.  

Die immer weiter zunehmende Lebenserwartung erfordert eine Ausweitung der individuellen Verantwortlichkeit bis ins hohe Alter, allerdings auf der Basis gesamtgesellschaftlich angemessener Versorgungsstrukturen und konkreter Versorgungsleistungen. Hierzu müssen die Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung im Alter neu ausgelotet werden. Dies gilt für die individuelle Verantwortung über die gesamte Lebensspanne – gesundes Altern ist lebenslang durch entsprechende Verhaltensmuster positiv beeinflussbar. Gezielte Beratungsangebote und effektive Interventionsmaßnahmen besitzen dabei eine Schlüsselfunktion. Das zentrale Ziel des persönlichen, wie auch des gesamtgesellschaftlichen Beitrags besteht in einer Stärkung der individuellen Kompetenz und Selbständigkeit über einen möglichst langen Zeitraum. 

Die Feststellungen hochrangiger Gremien 

"Ziel ist es, Pflegeprävention als frühzeitig ansetzende und auf die Verringerung von Risiken zielende Strategie zu etablieren und die bisherige Vorstellung zu überwinden, wonach Pflege den Stellenwert einer letzten Instanz in der Versorgungskette erhält." 
(Enquête-Kommission "Situation und Zukunft der Pflege in NRW" 2005, S. 536) und "Das Bewusstsein für Möglichkeiten der Prävention für das Alter wie für Möglichkeiten der Prävention im Alter muss gestärkt werden." Alter neu denken – Empfehlungen der Expertenkommission "Ziele in der Altenpolitik", Bertelsmann-Stiftung 2006, S. 13 sind in hohem Maße zutreffend. Sie müssen allerdings auch in konkrete Maßnahmen überführt werden. Dabei geht es nicht nur darum, die Stärken und Potenziale des Alters zu thematisieren, sondern in erster Linie darum, sie durch wirkungsvolle Maßnahmen bis ins hohe Alter zu stärken und zu erhalten. 

Die Prävention für das Alter muss als ein lebenslanger Prozess gesehen werden, der Bildung und Erziehung in der Kindheit sowie Informations- und Verhaltensangebote bis ins hohe Alter beinhaltet. Bestehende gesellschaftliche Strukturen und Angebote sind hierfür den sich ändernden Verhältnissen anzupassen. 

Die Prävention im Alter – um die es mit "fit für 100 – Bewegungsangebote für Hochaltrige", dem vom MAGS-NRW für NRW geförderten Projekt in erster Linie geht - wird gegenwärtig weder ausreichend verbreitet noch wird sie hinreichend gefördert und genutzt. Bewegungs- und Trainingsangebote mit ihrem hohen präventiven Potenzial für die Älteren und die Hochaltrigen werden bisher weitgehend vernachlässigt. 
Mit dem Projekt "fit für 100" wird ein konkreter, personen- und strukturangepasster Beitrag dazu geleistet, dieses Defizit zu beheben.

Erklärung 

Zu dem Forschungsprojekt "fit für 100 – Bewegungsangebot für Hochaltrige", das an neun Modellstandorten in NRW durchgeführt wurde liegen nach der ersten Projektphase konkrete Ergebnisse vor. Der Leitgedanke des Projekts besteht darin, einen Beitrag zum Erhalt der Selbstständigkeit, Sicherheit und Lebensqualität hochaltriger und/oder dementer Personen zu leisten. Für selbständig lebende, sowie für ambulant, teil- und vollstationär betreute Menschen soll damit zur besseren Alltagsbewältigung beigetragen werden. Unter Berücksichtigung von Lebensumständen und Krankheitsbildern wurden funktionelle Kräftigungs- und Koordinationsprogramme realisiert. Die diagnostischen Verfahren waren den Alltagsanforderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angepasst. 

Die Ergebnisse belegen umfassend die durch die Bewegungs- und Trainingsaktivitäten ausgelösten körperlichen, geistigen und sozialen Effekte. So konnten  
  • Kraft, Koordination und Beweglichkeit erheblich verbessert und 
  • beim Aufstehen, Stehen und Gehen Fortschritte erzielt werden - ein wesentlicher Beitrag zur Sturzprävention. 
  • die psychisch-kognitive Leistungsfähigkeit wie auch 
  • die Bewältigung der Alltagsfunktionen stabilisiert werden. 
  • die subjektive Selbsteinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und Befindlichkeit der Teilnehmenden stabilisiert bzw. verbessert werden. 
  • die gemeinsamen Bewegungsaktivitäten zur gegenseitigen Kontaktaufnahme und neuen Formen sozialer Aktivitäten genutzt werden.  

In allen neun Modelleinrichtungen führten diese Erfolge des Interventionsprogramms bereits dazu, dass "fit für 100" in eigener Regie weiter geführt wird. Alle im Bereich der Altenhilfe beteiligten Institutionen und Personen müssen diese Fakten zur Kenntnis nehmen und sollten konsequent die Umsetzung von Bewegungs- und Trainingsaktivitäten für diese Altersgruppen anstreben. 

Der Beirat – unter der Schirmherrschaft von Herrn Bundespräsidenten
a.D. Dr. Richard von Weizsäcker – erklärt vor dem Hintergrund der Projektergebnisse von "fit für 100 – Bewegungsangebote für Hochaltrige": 

Zum Altersbild

  • Altern darf nicht vorrangig als Hinwendung zu Krankheitsbildern oder gar dem Sterben betrachtet werden, sondern als Hinwendung zum Leben, zum guten Leben auch im hohen Alter.
  • Ein selbst- und mitverantwortliches Leben muss - so lange es die Umstände zulassen - unterstützt werden.
  • Auch Hochaltrige wollen und können Verantwortung für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden übernehmen.
  • Die Grenzen selbstständiger Lebensführung im Alter sind zu berücksichtigen, die Möglichkeiten dazu sind allerdings gleichzeitig zu stärken.
  • Das einseitige Bild vom defizitären hochaltrigen Menschen sollte zu einem Bild vom aktiven Hochaltrigen umgearbeitet werden!
     

fit für 100 – Erklärung des Beirats
Zum Beitrag des Einzelnen

  • Der Zusammenhang zwischen der körperlich-geistigen Funktionalität und den von ihr abhängigen sozialen und kommunikativen Kompetenzen wird bisher für Hochaltrige nicht ausreichend berücksichtigt.
  • Bewegungsfördernde, gesundheits- und sicherheitsstabilisierende  Programme wie "fit für 100" sollten angeboten und von Hochaltrigen wahrgenommen werden können.
  • Die Potenziale qualifizierter Ehrenamtlichkeit sind für Bewegungs- und Trainingsangebote in dieser Altersgruppe verstärkt zu berücksichtigen.
  • Individuelle Bedürfnisse sowie bildungs-, migrations- und milieuspezifische Bewältigungsformen von Hochaltrigkeit benötigen mehr Aufmerksamkeit.
     

Zum Beitrag der Wissenschaft

  • Defizite an epidemiologischen Studien über die funktionalen Einschränkungen, die Bedeutung biographischer, psycho-sozialer und umweltbezogener Ressourcen und Einflussfaktoren sowie Daten zur Situation der häuslichen Pflege sind auszugleichen. 
  • Alle Bewegungs- und Trainingsangebote müssen vor dem Hintergrund der spezifischen Anforderungen und ihrer Effekte evaluiert werden.
  • Alle Interventionsmaßnahmen mit Bewegungs- und Trainingshintergrund müssen durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie durch Qualitätsmanagement begleitet werden.
  • Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Bewegungs- und Sportgerontologie, Ernährungswissenschaft und Gerontologie muss gestärkt werden.
     

Zum Beitrag von Ärzten, Kranken- und Pflegekassen sowie dem organisiertem Sport

  • Ärzte müssen körperliche Aktivität und gezieltes Training gerade auch bei Älteren als eine zentrale Ergänzung in verschiedenen Therapiebereichen verstärkt integrieren.
  • Kranken- und Pflegekassen müssen verstärkt Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen für Hochaltrige unterstützen und sich die vielfältigen Kosteneinsparungen durch verminderte
    Sturzrisiken und niedrigere Pflegestufen im Sinne aller Versicherten zu Nutze machen. 
  • Die Strukturen zwischen ambulanter und stationärer Betreuung von Hochaltrigen sind zu entwickeln bzw. zu stärken. Dies betrifft insbesondere Bewegungs-, Trainings- und Mobilisierungsangebote für die häusliche Pflege.
  • Die Zusammenarbeit von Leitungs-, Pflege-, Trainingspersonal und Ärzten ist zu stärken.
  • Die Zusammenarbeit mit dem organisierten Sport und seinen bereits bestehenden Angeboten, personellen und räumlichen Ressourcen ist zu stärken.
     

Zum Beitrag von Trägern von Senioren- und Pflegeeinrichtungen

  • Altenhilfeeinrichtungen müssen die persönlichen Bedürfnisse ihrer Bewohner und Gäste nach Bewegungs- und Trainingsaktivitäten verstärkt berücksichtigen.
  • Altenhilfeeinrichtungen müssen erkennen, dass das Angebot eines gezielten Bewegungsprogramms im Sinne des bewohnerorientierten Arbeitens und dem Auftrag zur aktivierenden Pflege zwingend notwendig ist.
  • Mobilisierungs-, Bewegungs- und Trainingsangebote in den Einrichtungen dürfen nicht als zusätzliche Belastung sondern müssen als Wettbewerbsvorteil erkannt werden.
     

Zum Beitrag der Politik

  • Fehlanreize in der Altenpolitik und der Pflegegesetzgebung sollten korrigiert werden.
  • Die Anreize neue Angebote auf Seiten der Anbieter zu etablieren sollten gestärkt werden.
  • Das Land NRW sollte seine Vorreiterrolle mit „fit für 100“ nutzen und eine landesweite Verbreitung anstreben.
  • Die Verbreitung der in NRW gewonnen Erkenntnisse ist zu fördern und eine bundesweite Nutzung anzustreben.

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