Wellness-Beiträge



Ressourcen statt Defizite

Arztpraxen können sich beim Deutschen Wellness Verband um ein "Medical Wellness"-Zertifikat bewerben. Wir fragten nach bei der stellvertretenden Verbandsvorsitzenden Katarina Banach.

Autorin: Katarina Banach
Quelle: Igel aktiv


Was ist eigentlich Medical Wellness? Aus einigen Verlautbarungen Ihres Verbandes könnte man den Eindruck gewinnen, es gehe lediglich darum, dass der Patient sich irgendwie wohlfühlt in der Arztpraxis. Ist das alles?

Medical Wellness bezeichnet allgemein eine besondere Angebotsform im Markt der Wellness-Dienstleistungen. Die Ergänzung des bekannten Terminus "Wellness" um den Zusatz "Medical" betont dabei einerseits die Absicht der gesundheitswirksamen Intervention, andererseits die Herkunft der Dienstleister aus dem Bereich der medizinischen Berufe. Es handelt sich um Wellness-Angebote, die ärztlich empfohlen oder verordnet, begleitet und kontrolliert werden. Kern und Zielsetzung bleibt hierbei die Hinführung zu einem gesundheitsförderlichen Lebensstil.

Das könnte man doch auch Prävention nennen.

Wellness-Angebote unter ärztlicher Leitung sind in der Tat gerade für Menschen mit Risikofaktoren oder bereits manifesten chronischen Erkrankungen indiziert, bei denen die Lebensführung einen großen Einfluss auf Entstehung und Verlauf der Erkrankung hat.
Hierzu gehören unter anderem Patienten mit Rückenbeschwerden, rheumatischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und deren begünstigenden Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht, Metabolisches Syndrom, Nikotinsucht - aber auch all jene, die unter stressbedingten Beschwerden und Störungen leiden. Es geht also weniger um ein passives Sichwohlfühlen als vielmehr um aktive Verhaltensmedizin.

Und was ist nun die Wellness dabei?

Dass die fundamentalen Prinzipien aus dem Wellnessbereich berücksichtigt werden: spürbare Wertschätzung, Achtsamkeit und persönliche Zuwendung gegenüber dem Patienten, Servicebewusstsein bei Arzt und Praxisteam sowie ein wahrnehmbares positives Betriebsklima. Und schließlich eine räumliche Gestaltung, die Wohlfühl-Atmosphäre schafft.
Das Ziel des Konzepts "Medical Wellness" ist also, eine Synergie von Medizin und Wellness herzustellen, die in ihrer Kombination mehr gesundheitliche Wirkung erzielt als jedes der beiden Kompetenzfelder für sich allein.

Wie viele Arztpraxen in Deutschland bieten Medical Wellness an?

Eine konkrete und gesicherte Zahl können wir noch nicht nennen. Wir gehen aber davon aus, dass bereits an vielen Orten progressive niedergelassene Ärzte auf dem in unseren Hauptkriterien beschriebenen Weg sind. Begriffe wie "well-med" oder "Wellness-Medizin" tauchen immer häufiger auf. Eine verbindliche, vernünftige Standardisierung des damit suggerierten Leistungsangebotes soll durch unser Zertifikat erreicht werden - nicht nur im Interesse der Patienten, sondern auch der anbietenden Ärzte.

Beim ersten Medical-Wellness-Kongress im Januar in Berlin konnte man den Eindruck gewinnen, dass Ärzte sich kaum für Medical Wellness interessieren - die Kunden/Patienten dafür umso mehr. Wie überzeugen Sie Mediziner davon, sich dem Thema zuzuwenden?

Qualität und Serviceorientierung sind zwei der besten Argumente, die wir mit unserem neuen Gütesiegel liefern. Die von den Kostenträgern als ausreichend erachtete medizinische Versorgung weicht immer mehr von der heute möglichen, optimalen Dienstleistung ab.
Medical Wellness kann diese Lücke auf ideale Weise schließen helfen. Dieses Konzept verbindet ärztliche Kompetenz mit qualifiziertem Gesundheitscoaching und exzellentem Service. Der Begriff wird bereits durch die fortlaufende Medienpräsenz penetriert und schafft damit Nachfrage bei Millionen von Verbrauchern. Es gibt sicherlich Ärzte, die diese Strukturveränderung im Gesundheitsmarkt aufgrund ihres gesicherten Status oder auch wegen ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr interessiert.
Für alle anderen jedoch ist das Thema nicht nur äußerst attraktiv, sondern früher oder später unausweichlich. Denn auch der Arzt muss sich immer mehr dem Druck des Marktes stellen.

Das kann aber für einen seriösen Arzt dennoch kein Grund sein, nun allerlei Frag- und Merkwürdiges in der Praxis anzubieten.

Die Einbeziehung eines Wellness-Konzepts in die ärztliche Praxis erlaubt dem Arzt einfach eine interessante Erweiterung des Angebotes, auch nach seinen individuellen medizinischen Interessen. Zum Beispiel werden jährlich zweistellige Milliardenbeträge mit Stress reduzierenden Anwendungen umgesetzt, ohne ärztliche Beteiligung.
Die aus den USA kommende Mind-Body-Medicine ermöglicht es Ärzten, an diesem wachsenden Markt ohne Budgetierung teilzuhaben. Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften belegen, dass bestimmte sanfte Methoden durchaus kein esoterischer Hokuspokus sind, sondern wirksame Medizin.

Nun ist nicht automatisch alles, was aus den USA kommt, seriös und hilfreich.

Aber interessanterweise waren die Begründer des Wellness-Konzeptes in den USA allesamt gute und erfolgreiche Ärzte. Dort kennt man übrigens die Wortschöpfung "Medical Wellness" gar nicht. Wellness war und ist in Amerika eine Gesundheitsförderungs-Strategie, an der Ärzte schon immer maßgeblich beteiligt waren.

Was machen Ärzte, die Medical Wellness anbieten, konkret anders?

Wellness-Ärzte praktizieren eine sprechende Zuwendungs-Medizin. Sie behandeln ihre Patienten im wahrsten Sinne des Wortes selbst, mit ihren Händen. Manche verfügen etwa über spezielle Massageausbildungen. Andere sind in naturheilkundlichen Verfahren ausgebildet oder haben ernährungsmedizinische Kenntnisse.
Es gibt auch Ärzte, die mit ethnomedizinischen Konzepten praktizieren, beispielsweise dem Ayurveda. Entscheidend ist die Grundhaltung zum Patienten: diesen nicht von oben herab zu behandeln, sondern Achtsamkeit und Mitgefühl zu zeigen, seine Selbstheilungskräfte anzuerkennen, diese zu aktivieren und ihn schließlich aktiv in das Gesundheits-Management mit einzubeziehen - Empowerment auf der Basis eines Ressourcen- statt Defizit-Patientenbildes.

Und wie holt man Medical-Wellness-Fans in die Arztpraxis, die normalerweise wohl eher zum Heilpraktiker oder ins Kurhotel gehen?

Solche Wellness-Ärzte haben keine Schwierigkeiten, Patienten in ihre Praxis zu bekommen. Aber auch unser neues Gütesiegel für Medical Wellness wird ein sicherer Wegweiser sein. Wir vergeben es übrigens nicht an Heilpraktiker.

Ein anderer Weg ist die Kooperation mit Wellness- oder Kurhotels: Der Arzt steuert die medizinische Leistung bei, der Partner das Wohlfühl-Ambiente.

Es sind erst sehr wenige Hotels in den Medical-Wellness-Bereich eingestiegen. Man sollte als Arzt nicht unbedingt auf diese touristische Schiene setzen. Solche Kooperationen sind ohnehin nur lokal möglich, denn der Arzt muss im Hotel präsent sein. Viel interessanter ist es, in der eigenen Praxis ein Wellness-Konzept zu verwirklichen. Damit ist man auch unabhängig von der geografischen Lage in einem Urlaubsgebiet.
Es ist ohnehin ein Irrglaube, Wellness spiele sich nur in luxuriösen Verwöhntempeln ab. Allerdings werden wir eine Vernetzung von zertifizierten Arztpraxen und zertifizierten Wellness-Hotels herbeiführen. Es spricht sehr viel dafür, dass Hotelgäste nach einem Urlaub an ihrem Wohnort von einem Wellness-Arzt weiter betreut werden oder auch umgekehrt von einem Wellness-Arzt konkrete Empfehlungen für einen Wellness-Urlaub erhalten. Hier können wir als Verband einiges zu gesundheitlichen und ökonomischen Synergien beitragen.

Welche Fortbildungsmöglichkeiten gibt es für interessierte Ärzte im Bereich Medical Wellness?

Medical Wellness ist ein Kunstbegriff. Man kann sich darin nicht fortbilden, auch wenn manche geschäftstüchtigen Anbieter mit teils zweifelhaftem Hintergrund das möglicherweise so darstellen. Sinnvoll ist es, sich auf den Gebieten fortzubilden, die etwas mit Wellness beziehungsweise Verhaltensmedizin zu tun haben: Bewegung, Ernährung, Stressbalance, Suchtbehandlung. Auch die Schulung sozialer und emotionaler Kompetenzen ist empfehlenswert.
Der Deutsche Wellness Verband wird sein Informationsangebot weiter ausbauen, wenn es von ärztlicher Seite Nachfrage gibt. Wer sich um ein Praxiszertifikat "Medical Wellness" bewerben möchte, kann im Vorfeld auch eine Beratung bei uns in Anspruch nehmen.


Die Gütekriterien des Deutschen Wellness Verbands für eine Medical Wellness Praxis:

1. Ganzheitliches diagnostisches und therapeutisches Konzept: Verknüpfung von schulmedizinischen, naturheilkundlichen und/oder komplementären Methoden.

2. Mindestens drei unterschiedliche Angebote von verhaltensmedizinischen Leistungen in Form von Beratung, Schulungen, Kursen aus den Handlungsfeldern medizinische Selbsthilfe, Bewegung, Ernährung, Stressbalance, Nikotinentwöhnung und mentale Fitness (Lebensstil-Medizin).

3. Nachgewiesene seriöse Aus- und Fortbildungen für alle angebotenen Leistungen.

4. Aktive Beteiligung der Praxis an kommunalen gesundheitsfördernden Netzwerken (zum Beispiel mit Vereinen, Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Wellness-Instituten).

5. Respektvolles und partnerschaftliches Arzt-Patienten-Verhältnis: Der Arzt agiert als Gesundheits-Coach, er stärkt die gesundheitliche Kompetenz des Patienten.

6. Transparenz und korrekte Information in Bezug auf angebotene und beabsichtigte Leistungen, Kosten (bei Privatliquidation) und Alternativen.

7. Patienten erhalten neutrale Informationen zu den sie betreffenden gesundheitlichen Problemen (Krankheitsrisiken, -entstehung, -verlauf, Behandlungsmöglichkeiten) nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand.

8. Vorbildliche Servicequalität und spürbare Dienstleistungsmentalität des gesamten Praxisteams.

9. Kooperativer Führungsstil und positives Betriebsklima, unter anderem durch Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit im Praxisteam.

10. Architektur und Einrichtung - vom Gebäude bis hin zum einzelnen Behandlungsraum - schaffen eine angenehme Wohlfühl-Atmosphäre, die entspannt, Angst reduziert und Selbstheilungskräfte des Patienten aktiviert.


Praxiszertifikat "Medical Wellness" - so geht's:

•  Die Praxis äußert Interesse an der Medical-Wellness-Zertifizierung. Nach einer formlosen Anfrage werden auf Wunsch das Antragsformular und ein Fragebogen ("Selbstauskunft") für eine formale Bewerbung zugesendet.

•  Die Praxis füllt die "Selbstauskunft" aus und sendet sie zusammen mit den geforderten Anlagen (Praxisgrundriss, Praxisbroschüren, Aus- und Fortbildungsnachweise et cetera) an den Deutschen Wellness Verband. Auf dieser Grundlage wird entschieden, ob die Praxis die Voraussetzungen für ein Medical-Wellness-Zertifikat erfüllt und auditierungsfähig ist.

•  Ein speziell geschulter Prüfer (selbst Arzt, ärztlicher Berater oder Praxismanager) besucht die sich bewerbende Praxis und führt die Auditierung mithilfe eines umfassenden Prüfungskataloges durch. Geprüft wird in den Bereichen: Service- und Kundenorientierung, Kommunikation; Sauberkeit, Pflege, Ordnung, Sicherheit; Wohlfühl-Atmosphäre und Betriebsklima; persönliches Verhalten gegenüber den Patienten, Kompetenz.

•  Der Prüfer erstellt einen detaillierten Bericht über diesen Audit, der Deutsche Wellness Verband entscheidet auf Basis des vorgelegten Berichtes und der schon ausgewerteten Selbstauskunft über die Vergabe des Zertifikates und des Gütesiegels Medical Wellness.

•  Im Fall eines positiven Ergebnisses (85 Prozent der maximalen Punktzahl müssen erreicht werden) erhält die Praxis ein Medical-Wellness-Zertifikat mit den dazugehörigen Marketingmitteln (Urkunde, Wandplakette, Rezeptionsaufsteller, Gütesiegel-Datei für Drucksachen und Internet) und kann an dem jährlich stattfindenden Medical Wellness Award teilnehmen.
Die umfassende Dokumentation der Prüfung, die der Bewerber in jedem Fall ausgehändigt bekommt, können Arzt und Praxisteam als praktischen Leitfaden für das praxisinterne Qualitätsmanagement weiter verwenden.

•  Die Kosten des gesamten Verfahrens betragen 2450 €, das Zertifikat hat eine zweijährige Gültigkeit. Die Bearbeitung der Bewerbung und die Auswertung der Selbstauskunft wird mit 250 € berechnet, die Auditierung in der Praxis mit 1850 € und die Zertifizierung mit 350 €.

•  Das Siegel bestätigt dem Inhaber, dass seine Praxis den geforderten Qualitätsstandards des Deutschen Wellness Verbandes an eine Medical Wellness Praxis entspricht. Das Gütesiegel des Deutschen Wellness Verbandes ist durch seine Vergabe im Gesundheitstourismus bereits seit fünf Jahren bekannt und gilt als sehr verlässlich, weil es das wohl umfangreichste und transparenteste Siegel auf dem Markt ist, das auch als weitgehend unabhängig beurteilt wird (Bewertung im "Stern" und bei "Spiegel online").

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