Wellness-Beiträge



Wenn der Designer den Gast vergisst

Ist es möglich, sinnlich anregendes Ambiente zu bauen, ohne die Prinzipien der Moderne, Funktionalität, formale Sparsamkeit, Dekorlosigkeit und „ehrliche“ Materialwirkung, zu verleugnen? Fern von Kitsch und Kulissencharakter, dafür aber authentisch, stimmungsvoll und atmosphärisch wirksam?


Verfasserinnen: Katarina Banach und Hildegard Dorn-Petersen

Wie sieht das Spa der Zukunft aus? Um dieser Frage nachzugehen, hatte der renommierte Spa- und Sauna-Bauer Klafs elf Architekten aus sieben Ländern im vergangenen Jahr zu einem Workshop nach Bali eingeladen. Die Ideen, welche in kreativer Atmosphäre eines alten Tempels im Dschungel geboren wurden, sind vielfältig, Sie reichen von Rückzugsinseln zum urbanen Ballungszentrum bis zu Konstruktionen, in denen Raum und das natürliche Umfeld unter einer  Schutzhülle gewissermaßen verschmelzen. „Wellness basiert auf dem ganzheitlichen sinnlichen und körperlichen Erleben eines atmosphärischen Zusammenhangs“, konstatiert eine der Designerinnen. Ob gewagt, ziemlich verrückt oder funktionell, eines lassen alle Entwürfe klar erkennen: Der Mensch und seine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt. Für die Nachfrage sahen alle Teilnehmer ein weiter steigendes Wachstumspotenzial, mehr noch eine „Entwicklung vom Luxusartikel zur Notwendigkeit“.

Worauf es wirklich ankommt

Der Wellnessgast von heute und morgen sucht vor allem eines: Ruhe. Das hat mit dem Wunsch nach Ausgleich zum Alltag zu tun. Der ist meistens laut und hektisch. Ruhig meint deshalb auch langsam, ohne Eile. Dies mag in Anbetracht der gehetzten Klientel paradox klingen, ist es aber nicht. Wer seinen Kunden Zeit lässt und ihnen Zeit schenkt, gewinnt, auch wenn das - kurzsichtig betrachtet - unwirtschaftlich erscheint. In einigen Spa-Anlagen werden inzwischen Zeit-Kontingente verkauft, die man dem Gast nach Ankunft und eingehender Beratung gemäß seiner momentanen Verfassung und Bedürfnislage so angenehm und nützlich wie nur möglich gestaltet. Das Spa schafft Momente der Entspannung in einem spannenden und spannungsreichen Leben.

Das zweite wichtige und immer größer werdende Bedürfnis heißt Geborgenheit. Dies ist sowohl räumlich, als auch menschlich zu verstehen. Wellnessgäste suchen zwar  ein Stress reduzierendes Ambiente, aber keinesfalls puristische Kälte. Viele Wellness- und Spa-Architekten haben in den vergangenen Jahren mit ihren Kreationen Extreme geschaffen. Als Antwort auf orientalischen Zuckerbäckerstil und übertriebene Erlebniswelten aus Gips und Pappmaché folgte minimalistisches Design ohne Herz und Atmosphäre – eben keine Räume für das Wohlfühlen. Das architektonische Gesamtkonzept zwar ein unbanales Monument, das Lebensfreude-Potenzial jedoch gänzlich ausser Acht gelassen.
Das viel gerühmte Vigilius Mountain Resort von Matteo Thun: puristisch die Anwendungsräume, weiße Wände, weiße Liegen, bedrohlich stimmende Gerätschaft, nackter Stein – kühl, streng, nahezu spöttisch vorbei an Humanität, fern von Sinnlichkeit, geschweige denn Poesie und Emotion, die eben die Sinne beflügeln könnten.
Die Aussicht von den Ruheliegen im Schwimmbad hinaus in die Pracht der Landschaft ist zwar ein hoher Genuß, Der Betrachter wird aber empfindlich durch die unmittelbar vor den Füßen planschenden Badegäste gestört. Und wer in 1600 Metern Höhe auf dem Balkon vor dem (mit 240 Euro preiswertesten) Zimmer die frische Bergluft schnuppern möchte, sieht sich den Blicken der Gäste auf der Restaurantterrasse und den Passanten von der Bergbahn ausgeliefert. Wo bleibt nun hier die Architektur, die heilsame Freiräume schafft oder gar dem inneren Wachstum Impulse verleiht?

Einfach wohlfühlen

Ein gelungener Spa-Bereich erzählt Geschichten. Die Behandlungsrituale laden zum Eintauchen in Traumwelten ein. Sie schmeicheln, erwecken Geist und Körper, sie rufen eine Sehnsucht nach dem Selbst, nach Pflege des Persönlichen. Spa-Rituale machen Lust. Und machen Lust auf mehr, wenn die Wahrnehmung gezielt geschärft wurde durch die Raumkapazitäten.
Ihre eigene Geschichte erzählt jede der 23 Suiten im österreichischen „Krallerhof“ im Zusammenspiel zwischen Orient, Okzident und dem Salzburgischen. „Altes Bewahren und Neues wagen“ heißt die Devise der Gastgeberfamilie Altenberger. Das 2006 mit heimischem Granitstein neu gestaltete Hallenbad ist nicht nur eine Augenweide, es eignet sich auch hervorragend zum sportlichen Bahnenschwimmen. Der Name „Refugium“ steht für eine ganzheitliche Wellness-Philosophie, Diese findet man beispielsweise im Tepidarium, wo das Blau des Lapislazuli das Erkennen und Sortieren persönlicher Gedanken- und Gefühlswelt unterstützen und der Granitstein Stärke und Energie vermitteln soll. So mancher Gast möchte sich neu „erden“ und findet hier die rechte Verwurzelung. Dennoch oder gerade deshalb verschmäht man im „Krallerhof“ nicht das Wort „Gemütlichkeit“, denn das bringt auf den Punkt, was viele Wellnesskunden wünschen und was (Gast-)Räume vermitteln sollen.

Auf der Suche nach guter Wellnessarchitektur und wirklich schönen Behandlungsräumen wird man unter anderem auf der Insel Usedom fündig. Hier eröffnete vor rund einem Jahr „Das Ahlbeck“. Von der Philosophie ein Designerhotel, das SPA bietet ein harmonisches Zusammenspiel von Farben und Naturmaterialien, gepaart mit Nutzungsfreundlichkeit– hier kam sogar die im Auftrag des Deutschen Wellness Verbandes als Mystery-Guest reisende Testerin ins Schwärmen.

Schönes Design darf nicht der Funktionalität entgegen steuern, dem Bedürfnis nach Individualität und Intimität. Schließlich wird jeder seine persönlichen Wellnessorte ausfindig machen.

Wer in eine Wellness geeignete Infrastruktur investieren möchte, sollte zunächst die Vorlieben seiner Zielgruppen, seiner Stammkunden in Erfahrung bringen. Es ist ja das Wohlergehen Ihrer Gäste, das stets im Fokus steht: Die aufrichtige Zuwendung und Herzenswärme, die der Gastgeber und seine Mitarbeiter dem Kunden zu schenken vermögen. Denn genau dafür soll schließlich die richtige Kulisse mit kundigen Fachleuten entwickelt werden.

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