Wellness-Beiträge



Wellness: Von "Steigerung der Lebensqualität" bis "völliger Unfug".

Wellness wird endlich so verstanden werden, wie es der eigentlichen Bedeutung dieses Gesundheitskonzeptes entspricht, nämlich als eigenverantwortliche Aufgabe jedes Einzelnen.

Interview mit Lutz Hertel,
erschienen in shape up Business 02/2008

Was sind die Wellness-Trends für das Jahr 2020?

Wellness wird endlich so verstanden werden, wie es der eigentlichen Bedeutung dieses Gesundheitskonzeptes entspricht, nämlich als eigenverantwortliche Aufgabe jedes einzelnen Mitgliedes unserer Gesellschaft, seine gesundheitlichen Potenziale zu nutzen, sie zu pflegen und weiter zu entwickeln - im Rahmen der individuell gegebenen äußeren Bedingungen. Wellness ist weder eine exotische Massage, noch ein luxuriöser Nassbereich oder sonst ein Verwöhn-mich-Angebot. Es ist eine rationale Strategie zur Steigerung der individuellen Lebensqualität. Dabei geht es um sehr elementare Aspekte: Das richtige Maß und die passende Form an körperlicher Bewegung, eine möglichst natürliche, den wahren körperlichen Bedürfnissen entsprechende Ernährung, Stressbalance (kein Stress ist nicht das Ziel!) sowie Aktivitäten zur Steigerung des sozialen und emotionalen Wohlbefindens. Hierzu gehört auch, seinem Leben täglich bewusst einen Sinn zu geben. All dies sind aktive Formen, das Leben zu genießen.

Sicherlich gehören auch passive oder rezeptive Genussmomente  zum Leben. Das durch Marketinginteressen und Medien geschaffene hedonistische und kompensative Wellnessverständnis (im Sinne von "das gönn ich mir jetzt")  hat jedoch wenig Zukunftschancen. Körperliche Bewegung - und auch Anstrengung - ist ein zentrales Element von Lebensgenuss und Lebensqualität. Allerdings bin ich sehr im Zweifel, ob ein "stupides" Funktionstraining an Maschinen, wie es heute in den Fitnessstudios weit verbreitet ist, einen nennenswerten Beitrag in diesem Sinne leistet.

Was kommt nach Wellness, Feelness, Selfness, Wiseness, Bioness?

Das alles sind wohl nicht mehr als leere Floskeln, in die Welt gesetzt von so genannten Trendforschern oder Marketingberatern. Man versucht, ein vermeintliches Massenbedürfnis in einen trendigen Begriff zu fassen, auf dem die orientierungslose Wirtschaft dann ihr Heil suchen soll. Trend- und Marketringberater kreieren aber laufend neue Trends, denn das ist ihr Geschäft. Wir wissen hingegen mit absoluter Sicherheit, dass wir in unserer Gesellschaft einem demographischen Wandel unterliegen. Die gewonnene Zahl an Lebensjahren wird nur selten in guter körperlicher und geistiger Verfassung verbracht. Das Medizinsystem lebt von den Kompensationsleistungen gegenüber dieser multimorbiden Gesellschaft, ohne ein Interesse an Menschen zu haben, die in guter Gesundheit alt werden. Dies aber könnte die Herausforderung und Chance für große Teile unserer Bevölkerung sein. Das Wellness-Konzept bietet auf gesundheitswissenschaftlicher Grundlage gute Lösungen. Dafür muss man nicht ständig neue Begrifflichkeiten erfinden oder Trends hinterher jagen.

Wird man sich zwischen Wohlfühl- und Medical-Wellness entscheiden müssen? Ist die eine Wellness-Variante besser als die andere?

Medical Wellness stellt begrifflich einen völligen Unfug dar und ist insofern keine Variante oder Alternative. Es sind gegensätzliche Pole eines Kontinuums. Gehen Sie zum Arzt, weil Sie gesund sind? Gibt es ein medizinisches Wohlbefinden? Menschen, die mit einer oder vielleicht sogar zwei, drei chronischen Krankheiten leben müssen, können dennoch - aus medizinischen Gründen und mit medizinischer Begleitung - einem Wellness-Lebensstil folgen. Manche tun es ja auch bereits, wenn Sie zum Beispiel an die Herzkranken denken, die mit angemessener Bewegung, herzgesunder Kost und Herz-Yoga das gesundheitliche Schicksal in die eigenen Hände nehmen - und dabei ihre Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, Operationen und den Medikamentenkonsum drastisch reduzieren. Wellness ist ein Lebensstil, der die Lebensqualität deutlich verbessert. Es ist keine Behandlung - auch keine ärztliche. Natürlich können Sie sich vom Arzt Anti-Aging-Hormone verabreichen lassen oder sich der ästhetischen Chirurgie anvertrauen.

Aber was hat das mit Wellness zu tun? Wenn heute Medical Wellness vermarktet wird, so ist auch das in der Regel nicht mehr als der Ritt auf einer Welle oder das Mitfahren auf dem Trittbrett. Wer heute Medical Wellness in seine Prospekte schreibt, hat zuvor oftmals nicht einmal Wellness richtig angeboten, geschweige denn verstanden.

Allenfalls die Kur-Branche könnten sich mit dem Begriff Medical Wellness ein modernes begriffliches Erscheinungsbild geben. Doch kann man dazu raten, eine über mehr als hundert Jahre eingeführte Marke aufzugeben?

Werden Wellness-Kunden entsprechend der aktuellen Statistik immer älter - wenn ja, warum? -, oder liegt der steigende Altersdurchschnitt lediglich an der demografischen Entwicklung?

Mit dem Alter steigt das Bewusstsein für die Begrenztheit der Ressource Gesundheit. Der menschliche Körper hat ein beachtliches Toleranzpotenzial gegenüber gesundheitsschädigendem Verhalten. Im Grunde können wir auch unser Leben gar nicht verlängern, wir müssen nur damit aufhören, es täglich zu verkürzen. Das erkennen Menschen - bezogen auf Ihr Lebensalter - in der Regel eher später als früher. Andererseits wird der Anteil der älteren Deutschen immer größer, während die Zahl der Geburten schon seit über 30 Jahren nicht mehr die Reproduktionsquote erreicht. Deutschland schrumpft und altert zugleich.
Demographie und Bewusstseinswandel erklären den höheren und auch künftig noch steigenden Anteil älterer Wellness-Kunden. Die heute weit verbreitete Spa-Wellness ist allerdings keine Frage des Alters, sondern des Einkommens. Echte Wellnessprogramme sind nicht teuer. Sie beruhen auf dem Prinzip, selbst etwas für sich zu tun, statt es andere tun zu lassen.

Die älteren Menschen haben übrigens ein viel größeres Bedürfnis nach Selbständigkeit und Aktivität als die jüngeren. Beide Aspekte bilden wiederum zentrale Ressourcen für das subjektive Gesundheitsempfinden. Auch aus diesem Grund sind körperliche Bewegung und Beweglichkeit/Mobilität vorrangige Wellnessziele einer alternden Gesellschaft.

Wie wichtig werden Gütestandards/Gütesiegel in Zukunft sein?

Da der Wellnessmarkt weiter wachsen wird und es keine gesetzlichen Regelungen zur Qualität gibt, werden in diesem Markt immer gute und weniger gute Anbieter im Wettbewerb um die Kundschaft sein. Wir haben 2002 erstmals ein Wellness-Qualitätszeichen eingeführt, zuerst im Bereich der touristischen Unternehmen, inzwischen auch darüber hinaus. Wir stellen fest, dass die Nachfrage nach unserem Siegel deutlich gestiegen ist: von Seiten der Wellnessanbieter, der Verbraucher und auch der Medien. Selbst die Wellnessvermarkter wollen heute zeigen, dass ihre Kunden ein Qualitätssiegel vom Deutschen Wellness Verband tragen.

Leider sind aber selbst auf dem Gebiet der Qualitätsüberprüfung und -zertifizierung die kommerziellen Interessen dominierend. Es gibt inzwischen einen Siegel- und Zertifikate-Dschungel auch im Wellnessbereich. Sicherlich wird über die nächsten Jahre eine notwendige Bereinigung stattfinden - die Qualität, vor allem aber die Glaubwürdigkeit des Zertifizierers, wird sich hoffentlich durchsetzen.

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